Die schönen, empfindlichen und unglücklichen Drei Schwestern
Naděžda Parmová 3. Juni 2009 zdroj Boskovické noviny
Wenn Sie in der richtigen Laune sein werden und die Nostalgie der "russischen Seele" aus der Zeit von Tschechow erleben wollen, dann besuchen Sie das Stadttheater Brno.
Wir Tschechen wissen, dass die Anzahl von Drei Schwestern bei Anton Pawlowitsch von unserem Jára Cimrman korrigierte wurde und dass es sich um die Tragikomödie der Menschen handelt, die den Sinn des Lebens suchen. Als Tschechow im Jahre 1900 seine Drei Schwestern für den Regisseur Stanislawskij schrieb, behauptete er, dass es sich um eine Komödie handelt. Stanislawskij machte aus diesem Stück ein "drückendes Drama aus dem russischen Leben" und dabei blieb es schon. Tschechow ärgerte sich dafür und schrieb unter anderem: "Ich wollte etwas ganz anderes. Ich wollte nur den Menschen einfach sagen - Schauen Sie sich selbst an, schauen Sie, was für ein erbärmliches und langweiliges Leben Sie führen. Begreifen Sie, wie stumm und langweilig Sie leben."
Das Drama kann aus vielen Winkeln gesehen sein. Ich sehe es wie ein immer aktuelles Stück, wie ein Drama über das Scheitern der Träume - in dieser Hinsicht ist das Schicksal von Andrej Prosorow jenes meist ergreifende. Das Problem der Menschen, die in der Gegenwart nicht voll zu leben wissen und die in die Erinnerungen und in die Zukunft entgehen. Das sehen wir doch auch heute um uns herum. Die Züge von allen Gestalten sind ausgeprägt und alle vierzehn Schauspieler liefern ausgezeichnete Leistungen. Wir glauben ihnen ihre Sehnsüchte, Träume und wir sind imstande zu weinen, wann alles wankt. Schon lange sah ich auf der Schauspielbühne keine so schöne Szene (Emil Konečný) und keine so viel inspirierende Kostüme (Andrea Kučerová). Für den Regisseur Stanislav Moša ist es die erste Inszenierung von Tschechow. Als ihn bei der Pressekonferenz fragten, wann erst jetzt, sagte er, dass er ausreifen musste. Herr Moša, Sie riefen ausgezeichnet aus, wir danken Ihnen!
Über Posen, über Gewohnheit im Leben, über Leere in der Seele
J. P. Kříž 3. Juni 2009 zdroj Právo
Tschechows Drei Schwestern im Stadttheater Brno auf eine pietätvolle Weise, dennoch in hinreißender Auffassung des Regisseurs Moša
Die tschechischen Regisseure bearbeiten Tschechow meistens mit Erfindungskunst und Mut, um die Langweile zu widerlegen, mit der Stanislawskij diesen Meister des Weltdramas abstempelte. Der neueste Beweis: Drei Schwestern des Regisseurs Stanislav Moša und des Dramaturgen Jiří Záviš im Stadttheater Brno.
Ihre Einstellung zu Anton Pawlowitsch ist dabei beispiellos demütig, beinahe pietätvoll. Minimale Striche im Text, Realisierung von allen vorgeschriebenen Situationen. Die Erfindungskunst Mošas Inszenierung steckt doch im etwas anderen: in der Realisierung der Szenen auch mittels der Mittel der nonverbalen Kommunikation, in genauer Erfassung der Beziehungen und in ihrer Aktualisierung unter Berücksichtigung unserer Wahrnehmung von Liebe, Träumen, Langweile, Konvention. Spielen ohne Wörter.
Zum Beispiel Mascha quält sich nicht mit ihrem Aufflackern zu Werschinin. Diese zwei bringen die Beziehung bis zu momentaner Auflösung, zu der die verdorbenen Ehen eher in unserer Zeit als in jener von Tschechow getrieben werden...
Vergebliche Sehnsüchte, gesellschaftliche Unbeweglichkeit, Hoffnungslosigkeit und Lebensresignation der meisten Gestalten des Stücks werden hier mit Humor und Leichtigkeit dargestellt - bei der schon erwähnten Erhaltung der Situationen genau in ihrer akzentuierten Wiederholung. Zum Beispiel Werschinins Worte "lassen wir uns ein bisschen philosophieren", von einer Denkergeste begleitet, werden von den Akteuren mit automatisiertem Platznehmen in Sessel und Lehnstühle angenommen: es wird langweilig sein.
Die Geschichte wird dadurch nicht retardiert, wie die durchschnittlichen Dramaturgen denken, sondern entlastet. Und gleichzeitig wird so alle jene geistige Leere meisterhaft und wortlos erklärt, einschließlich der stumpfen und nie realisierten Lust zu arbeiten, sich aus der Falle des Stereotyps und der blinden Glaube in die Zukunft des Russlands zu befreien. Im Unterschied zu Tschechow wissen wir schon, wohin und wodurch Russland des 20. Jahrhunderts watete.
Die schneeweiße Szene von Emil Konečný, mit Tüllvorhängen dekoriert, der Kontrast der weißen Kostüme von Andrea Kučerová mit jenen dunkeln, die unauffällige und doch markant komparative szenische Musik von Zdenek Merta - das alles bildet eine andere qualitative Dimension der ausgezeichneten Drei Schwestern von Moša.
Und die schauspielerischen Leistungen! Auf der Szene befinden sich lauter Laureaten oder Adepten der Thalia-Preise! Markéta Sedláčková in der Gestalt der innerlich zerfahrenen Olga, ausgezeichnete Ivana Vaňková - die in der Ehe durch ungenügende Gefühle leidende Mascha, Svetlana Slováková - die jüngste, aber durch Leben geschleppte Irina... Und die nicht nur glucksende, sondern als Furie auftretende Natalja in der Darbietung von Lenka Janíková!
Das leere Gefäß Werschinin (Petr Štěpán), der die Resignierung demonstrierende Militärarzt Tschebutykin (Jan Mazák), Prosorow in der Darbietung von Michal Isteník, der durch das Leben willenlos schwankt, der ratlose Professorenabklatsch Kulygin in der Originalauffassung von Milan Němec, der plumpe, aber desto gefährlichere Soljony in der Darbietung von Jaroslav Matějka...
Die vorherigen, sehr guten Drei Schwestern wurden in Brno von Sergej Fedotov im Theater HaDivadlo einstudiert. Jene von Moša sind nicht weniger beachtenswert. Eher noch mehr als die Wunderinszenierung aus Permi auf dem Ural, auch wenn auf eine andere Weise.
Drei Schwestern in Brno
Peter Stoličný 31. Mai 2009 zdroj www.divadlo.sk
Wenn Sie in der tschechischen Sektion der Suchmaschine Google Drei Schwestern eingeben, finden Sie dort eine Reihe der Hinweise an die tschechische Musikkapelle Drei Schwestern mit dem Front man Lou Fanánek Hagen, aber nur fünf Hinweise an das Stück von Anton Pawlowitsch Tschechow. Es scheint, ein Merkmal unserer Zeit zu sein. Die klassische Dramatik gehört in die heutige, schnelle, dreidimensionale kybernetische Kultur nicht. Zum Glück gibt es in Tschechien noch immer viele Liebhaber des guten Theaters, die den Zuschauerraum füllen und "Tschechow" besuchen.
Das Stadttheater Brno führte am letzen Maitag Drei Schwestern auf, in der Regie von Stanislav Moša, in der Übersetzung von Leoš Suchořípa und auf der wunderschönen weißen Bühne von Emil Konečný. Die einfallsreichen Zeitkostüme wurden von Andrea Kučerová entworfen, die beinahe Filmmusik wurde dann für die Geschichte von Zdenek Merta komponiert.
Schon am Anfang ist es klar, dass ich die Inszenierung loben wird. Ich bin schon im Alter, wann ich keine Lust mehr habe, kritische Blitze auf die armen Inszenatoren zu werfen, denen etwas nicht gelang, und so schreibe ich nur darüber, was mir gefällt. Und Drei Schwestern gefielen mir. Sehr.
Wenn ich mich nicht irre, war Anton Pawlowitsch bei der Premiere in MCHAT darüber unglücklich, was der Regisseur Stanislawskij mit seinen Drei Schwestern machte. Er schrieb doch die Komödie und kein sentimentales Drama. Aber in der Welt verbreitete sich tatsächlich das Trauerspiel über die Armseligkeit der russischen Intelligenz auf dem Lande. Sie wollen arbeiten - sie können nicht arbeiten. Sie wollen lieben - sie können nicht lieben. Sie wollen sich verstehen - sie verletzen sich. Mein Interesse weckte die Beschreibung des Werks in der Internetenzyklopädie Wikipedia. Sie ist wert, zitiert zu sein: "Der Zentralraum des Spiels ist das Haus der Familie Prosorow in einer russischen Kleinstadt, wo vier junge Leute leben - die Geschwister Olga, Mascha, Irina und Andrej. Sie bleiben hier auch nach dem Tod ihres Vaters, Generals der russischen Armee. Das Haus, anfangs eine durchsonnte Stelle voll von Blumen, bekommt während der Vorstellung eine immer mehr dunkele Form, beinahe Klaustrophobieform, und alle Geschwister, ein nach dem anderen, sind aus ihm ausgestoßen." Am Schluss des Spiels sagt eine der Schwestern, Olga: Man muss leben... Diese Konstatierung hat zwei ziemlich gegenläufigen Bedeutungen, immer nachdem, wie die Inszenatoren den Text auffassen. Wenn es sich um ein Trauerspiel handelt, ist es ein Seufzer: in diesem erfreulichen Zustand werden wir bis zum Tod leben. Weil wir nicht einmal sterben können. Wenn es sich um eine Komödie handelt, ist es ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft: Man muss leben! Auch nach dem allen, was wir erlebt haben, müssen wir glauben, dass das Leben besser sein wird. Schöner. Wir müssen ihn voll leben. Das Leben ist nämlich etwas wunderschönes...
Wie klingt also dieser Satz in der Inszenierung von Stanislav Moša aus? Wahrscheinlich so, wie auch der Autor selbst, A. P. Tschechow, wollte, dass er ausklingt. Auch wenn Andrej das Haus den Schwestern vertrank. Die untreue Mascha bekennt sich offen zu ihrer hoffnungslosen Liebe zu Werschinin, obwohl der Leib des im Duell ziemlich unnötig totgeschossenen Tuzenbach noch nicht kalt wurde. Die Offiziere, die einzige Hoffnung an die Anregung in der vergessenen Stadt, gehen weg, aber Olga regt die anderen an: Man muss leben!
Alles, worüber ich bisher schrieb, zeugt eher über ein Drama, fast alles klingt melancholisch und verweint aus, und trotzdem ist es möglich, daraus eine Komödie zu gewinnen. Solche, bei der manchmal im Zuschauerraum die Lachssalven zu hören sind. Und es ist ganz logisch. Der Philosoph Bergson schreibt in seiner Studie Lachen: Die Komödie steht dem wirklichen Leben näher als die Tragödie. Mehr tragisch das Drama ist, desto mehr musste der Dichter die Realität dem Drama unterordnen, um die Tragik in ihrer reinen Form zu bekommen. Im Gegenteil, die Komödie unterscheidet sich vom wirklichen Leben nur in niedrigeren Formen, in Vaudeville und Posse. Je höher sie sich aufschwingt, desto mehr verbindet sie sich mit dem Leben. In dem wirklichen Leben gibt es Szenen, die der edlen Komödie so nahe stehen, dass sie auf die Bühne übertragen sein könnten, auch wenn wir kein einziges Wort in ihnen ändern würden... Jede komische Wirkung enthält ein Paradox in sich. Das, was das Lachen in uns weckt, ist die wirkliche Absurdität in einer konkreten Form, die "sichtbare Absurdität, also einerseits absurd, anderseits natürlich erklärbar... (Bergson H., Lachen, Naše Vojsko, Prag 1994)
Ich glaube, dass darin der Zauber des richtig aufgefassten Tschechow besteht. Genau das gelang an Stanislav Moša. Mittels kleiner Details auch die Absurdität in den natürlichen Lebenslauf zu bringen und aus diesem Widerspruch und Lachen zu gewinnen. Ich kann nicht widerstehen, ich muss noch einmal zum weisen Bergson zurückkehren. Auf einer anderen Stelle schreibt er nämlich: Das gesellschaftliche Leben trägt in seinen Zeremonien die latente Komik mit, die nur daran wartet, sich nach außen zu zeigen. Es genügt nur, den seriösen Gegenstand der Zeremonie zu vergessen, und ihre Teilnehmer, die sich in ihr bewegen, werden wie die Puppen wirken. Ihre Bewegung ist durch die Unbeweglichkeit der Formel gesteuert, es ist nur die Automatie... Auch wenn Bergson die meisten Behauptungen durch die Gestalten aus Molieres Komödien belegt, passen seine Bemerkungen unglaublich genau auf das Land weit von Moskau, wo man französischartig spricht, wo die Bemühung herrscht, die herrschaftlichen Manieren der Moskauer Aristokratie zu halten, wo das Wort Moskau selbst die schmerzhaften Seufzer aufweckt. Und genau diese Lage nutzte der Regisseur in der Inszenierung in Brno für die traurigen und gleichzeitig komischen Situationen aus. Wenig komisch ist, wenn sich zwei Gestalten, in hoffnungsloser Bemühung nach dem Humor, in ihre Gesäße stoßen. Wunderschön komisch ist, wenn der Humor aus der Trauer ausgehet. Wenn er eine tief wahrhafte Lage ist ... es ist Schade, diese Gedanke weiter zu entwickeln. Henry Bergson sagte es alles noch genauer.
Kehren wir doch zur Inszenierung selbst zurück. Vor kurzem habe ich über eine andere Inszenierung aus der Produktion des Stadttheaters Brno gesagt, dass die Regiehandschrift von Zdenek Černín äußerst schauspielerisch ist, dass er als Schauspieler von Profession von den Schauspielern ausgeht und den Schauspielern das Werk unterordnet. Und ich habe darin ein großes Plus gesehen. Stanislav Moša tritt an die Inszenierung genau aus dem Gegenpol. Seine Regie ist eine äußert Regie-Konzeptionsregie. Zuerst baut er wahrscheinlich die Reihenfolge der Mizanszenen in seinem Kopf auf; er weiß genau, welcher Schauspieler, wann und wie auftreten wird und diesem unterordnet er auch die Leitung des Schauspielers. Und dieser unterordnet sich ihm gern, weil er fühlt (auch wenn erst nach der Beendigung des Werks), dass die Leitung des Regisseurs richtig und konzeptionsvoll war. Diese wurde mir in dem Moment klar, wann zwei Protagonisten schon im ersten Bild ein Duell spielen - mit gerichteten Fingern imitieren sie die Schusswaffen..., damit das wirkliche Duell am Ende der Vorstellung stattfindet und einer von diesen stirbt (Tschechow schrieb, dass wenn eine Flinte im ersten Bild an der Wand aufgehängt ist, dann muss sie im dritten Bild ausschießen - das ist jene Konstruktion der Mizanszenen, die Moša erfolgreich respektierte).
Aber ich möchte nicht nur über die Regie schreiben. Das Theater steht ganz natürlich auf dem Schauspieler und mit diesem auch fällt. Er ist die Verbindungsperson, von dem Schöpfer bis zum Rezipient. Hier ist es zu sagen, dass in Drei Schwestern gerade drei Schwestern in der Darbietung von Markéta Sedláčková, Ivana Vaňková und Svetlana Slováková glänzten. Über Sedláčková und Slováková wusste ich schon vorher, dass sie ideale Darstellerinnen dieser Gestalten sind. Aber Ivana Vaňková, neugewordene Mutter mit kleinem Josífek, da war ich mir nicht sicher, wie sie die ziemlich komplizierte Gestalt von Mascha bewältigen wird. Aber ihr schauspielerischer Part, vor allem mit ihrem Ehemann, verschüchtertem Professor Kulagyn (Milan Němec) - das war ein wirkliches schauspielerisches Konzert. Der Oberst in der Darbietung von Petr Štěpán, Tuzenbach von Vojtěch Blahuta und dann der wunderschön komisch gespielte Soljony von Jaroslav Matějka, zusammen mit dem dankbar gespielten Arzt in der Darbietung von Jan Mazák, das war eine Palette der Gestalten, die weit vom Trauerspiel waren. Wenn es uns doch bewusst wird, dass dieser Haufen des Humors in düster Atmosphäre einer russischen Kleinstadt vorgestellt war, wenn es uns bewusst wird, wie diese Leuten unter unerfüllter Liebe, Langweile, Eifersucht sowie Mord litten, dann ist es bewundernswert, wie das alles mit Lachen vermischt war. Und es war dort keine einzige Prise des Zynismus. Es war da nichts, was den humanistischen Prinzipen der Weltsicht entgegenstehen würde. Es war kein selbstzweckmäßiger Humor. Was war es dann, was die komischen Untertöne der Inszenierung ausbildete? Vielleicht die Juxtaposition des Tragischen und Lächerlichen. Vielleicht jener gütiger, begreifender und gleichzeitig bis erzieherisch emporgehobener Finger von Tschechow.
Ich applaudiere also dem Regisseur, den Schauspielern und allen anderen Inszenatoren. Endlich ist hier Tschechow, mit dem auch Tschechow selbst zufrieden wäre.
Anton Pawlowitsch Tschechow: Drei Schwestern
David Kroča 31. Mai 2009 zdroj Tschchischer Rundfunk 3 - Vltava
Die Inszenierung von Tschechows Drei Schwestern auf der Bühne des Stadttheaters Brno unterscheidet sich von dem Stück, das durch die Inszenierungstradition kanonisiert wurde. Während die Interpretationen in Lehrbüchern behaupten, dass der Kern der Aussage bei Tschechow mehr in der innerlichen Welt der Gestalten als in der dramatischen Spannung zu suchen ist, setzte die Inszenierung von Stanislav Moša auf die Geradlinigkeit. Dieses Spiel ist "wie ein Wildbach durchsichtig", schreibt der Regisseur selbst im Programmdruck und fügt beredet bei: "Es ist nichts in ihm versteckt! Es ist nur nötig, lesen zu können!"
Und der Dramaturg Jiří Záviš, der sich im Programmdruck auf eine Reihe der grundlegenden Texte über Tschechows Dramatik konzentrierte, erlaubte sich diesmal, noch aufrichtiger zu sein: "Die Ansichten in den oben erwähnten Aufsätzen drücken die Absichten der Inszenatoren nicht aus". Seine Wörter können auch folgendermaßen gelesen sein: Ja. Wir wissen, dass Tschechow ziemlich kompliziert ist, aber wir werden ihn auf unsere Weise machen.
Das Inszenierungsteam setzte auf die komische Ebene des berühmten Stücks. Es hebt ihre Überzeitlichkeit in dem Sinne hervor, wie es die Lächerlichkeit, Kleinigkeit und Vornehmtuerei jedes von uns enthüllt. Das Haus der Geschwister Prosorow wird dann zu einem Panoptikum der Figuren, welche die unterschiedlichsten Menschentype parodieren: zum Beispiel der Bruder von drei Schwestern Andrej ist ein typischer Mann unter dem Pantoffel, Werschinin klingt als ein Träumer und Schwätzer aus, Kulygin stellt einen Typ des streuten und gesellschaftlich ungeschickten Professors dar. Die tragische Dimension der Gestalten ist dann vor allem darin zu sehen, dass wir sie auch nach so vielen Jahren, die von der Entstehung des Stücks vergingen, immer noch lächerlich finden.
Der Regisseur Stanislava Moša ist dafür zu loben, dass er in der durchdachten Partitur praktisch keine Striche machte. Seine Inszenierung dauert mehr als drei Stunden, aber dank dem unerwartet flinken Tempo langweilt sie nicht. Die graue Weitschweifigkeit des Lebens auf dem Lande, die doch am Platze ist, ist vielleicht nur am Anfang des ersten Akts zu sehen, wann Mascha, Olga und Irina in der Halle ihres Hauses gaffen. Der Bühnenbildner Emil Konečný verlieh ihr das Aussehen eines als Kandiszucker aussehenden Salons, dessen grundlegendes bildendes Element das weiße Gazematerial ist, mit dem alle Möbelstücke gedeckt sind und das wie die Gardinen die Bühne umringt. Die Atmosphäre der höheren Kreise wird auch durch die Kostüme gebildet, in denen die Kostümbildnerin Andrea Kučerová vor allem die Charakteristik der einzelnen Gestalteten widerspiegelt.
Wie es schon gesagt wurde, die Darsteller fassen ihre Figuren meistens als Typen auf, was ihnen keine Probleme macht. Der zurückgesetzte Andrej in der Darbietung von Michal Isteník, der wortreiche Werschinin von Petr Štěpán sowie der mit seinem Lehrstand deformierte Kulygin von Milan Němec sind dankbare Figuren, mit denen sich das Publikum unterhält. Dem für Tschechow charakteristischen Streit zwischen Träumen und Lebensrealität steht doch die jüngste Schwester Irina, in der Darbietung von Svetlana Slováková, am nächsten. Dieser talentierten Schauspielerin gelang es, ihrer Figur die Sehnsucht nach einem besseren Leben zu verleihen, das für sie durch die Rückkehr nach Moskau symbolisiert ist; gleichzeitig formte sie ihre Irina aus der Mischung innerer Nervosität, Kindernaivität sowie permanenter Ernüchterung. In der Gestalt der Mascha alternieren Ivana Vaňková und Vendula Ježková. Ich sah Mascha in der Darbietung von Ježková, die vor allem die Sehnsucht einer verheirateten Frau nach einem attraktiven Geliebten akzentuierte. Interessanter war die älteste von den Schwestern, Olga, wie sie von Markéta Sedláčková dargestellt wurde. Auch sie sehnt nach dem Liebesgefühl, aber es gelingt ihr immer, ihn hinter die sorgfältig bewachte Maske der reservierten Professorin des Mädchenlyzeums zu verbergen.