Nichts als „The best of Schwejk“
Kateřina Bartošová 5. Juni 2003 zdroj Lidové noviny
Der Roman von Hašek erlebte zahlreiche Theater- und Filmbearbeitungen. Auch für den Regisseur Stanislav Moša, der seine Dramatisierung vorher im Ausland mehrmals inszeniert hatte, ist der Stoff, den er am Brünner Theater bearbeitete, nicht neu.
Für die Inszenierung von Moša spricht die Bemühung, mit der Tradition der berühmtesten Bearbeitungen zu brechen, indem er eine nicht ganz lineare Form wählt.
Die Titelrolle ist alternierend mit zwei Schauspielern besetzt, mit Zdeněk Junák und Erik Pardus. Erwartet wurde die typische Rauchpfeife. Erik Pardus vermied absichtlich die wörtliche Übertragung der Auffassung von Rudolf Hrušínský. Pardus stattete den Schwejk mit übertriebener Gutmütigkeit aus, die auf einer Mimik beruht, die eine Gratwanderung zwischen freundschaftlicher Versöhnlichkeit und Debilität vollzieht und durch unendliches entwaffnendes Lächeln, verschworenes Augenzwickern und durch ständiges Kopfnicken gekennzeichnet ist. Wie die zahlreichen Nebenrollen kann auch er unterhaltsam sein.
Die Inszenierung wirkt auch dank der rasanten Streichungen im Text lebendig. Der Zuschauer findet die bekannten Passagen in ziemlich gekürzter Form vor. Es fehlt ihr jedoch der wirkliche Sinn, weshalb sie zu einem quasi „Best of“ mit Tanz- und Musikeinlagen wird.
Mošas Schwejk zerstört tief verwurzelte Mythen
Jiří P. Kříž 23. Mai 2003 zdroj Právo
Hašek, Lada, Trnka, Steklý, Hrušínský – das sind Namen, die bereits seit acht Jahrzehnten den Ruhm des besten Soldaten des Ersten Weltkrieges Josef Schwejk in die Welt tragen, der so berühmt ist, dass uns, manchmal zu Recht, nachgesagt wird, wir Tschechen seien alle Schwejks.
Der Ruhm des „Guten Soldaten“ in der Theaterwelt ist aber nicht mehr so glanzvoll. Zuletzt wagte sich Stanislav Moša im Stadttheater Brno an die Inszenierung des bekanntesten tschechischen Romans. Er nähert sich dem tschechischen Publikum auf Umwegen: Er führte, zunächst dem slowenischen Publikum im italienischen Triest, dann den Deutschen in Görlitz und den Kroaten in Rijeka den Schwejk nicht als vollkommenen Trottel, wie er manchmal aufgefasst wird, wenn er unbequem wird, sondern als Menschen vor, der mit seinem konsequenten „Melde gehorsamst“ die Dummheit des staatlichen Machtapparats und die Militärmaschinerie der Österreichisch-ungarischen Monarchie besiegt.
Es ist Kirtag, vielleicht in Žižkov, vielleicht auf dem Marktplatz einer Kleinstadt in Mittelböhmen. Es kommt eine umherziehende Schauspieltruppe angefahren und schon beginnt ein Theater, das letztendlich die Karte Europas und der Welt veränderte. Den umfassenden Roman von Hašek zu inszenieren, ist eine echt harte Nuss. Moša entschied sich für einen raschen Szenenwechsel im Stil der Sketches, Couplets, Tänzchen, Anekdoten, Geschichten und der allseits bekannten Episoden aus dem Leben des guten Soldaten.
Dem aufmerksamen Zuschauer im In- und Ausland ist nicht entgangen, dass es dem Regisseur gelang, Schwejk, der als Klugredner und unverbesserlicher Dummkopf dagestanden war, zu rehabilitieren, indem er ihn als nationalbewussten Tschechen darstellte, der, von der Geschichte des eigenen Landes enttäuscht, ein wirksames, und vom Ergebnis her bewundernswertes Mittel findet, mit der Macht Vabanque zu spielen, und mit einem Bisschen Glück durch die vorgetäuschte Dummheit die wahre Stumpfheit bloßzustellen, zu entmachten und zu besiegen, und dabei den ähnlich enttäuschten Leidensgenossen noch Optimismus zu vermitteln.
In der neuen Brünner Inszenierung von Schwejk läuft alles wie geschmiert. Unter den Zuspielern auf der Bühne exzellieren Ladislav Kolář (Feldkurat Katz, Gendarm und Baloun), Petr Štěpán und Igor Ondříček (Oberleutnant Lukas), Karel Mišurec und Jan Mazák (Brettschneider und Leutnant Dub), Ján Jackuliak (Pepek Vyskočil und Sapeur Vodička), Jan Apolenář (General und Marek), Jiří Tomek (Kaiser Franz Joseph I und Hauptmann Sagner), Mädchen für alles und jeden Eva Jelínková mit den Stars Vaňková, Ptáčková, Dvořáková, Coufalová, Sedláčková...
Souverän sind beide Schwejks Zdeněk Junák und Erik Pardus. Junák versucht, den Titelhelden als nachdenkenden Philosophen zu zeigen, was er bei der ersten Premiere so konsequent tat, dass sie an Geschwindigkeit verlor. Pardus spielt mit dem Körper und mit den Augen, mit den klugen, verspottenden, die Macht besiegenden Augen. Nach Jago in Othello ist Schwejk seine Lebensrolle und die Kommissäre der Thalia- und Radok- Preise sollten die Ohren spitzen, wenn sie es nur können. Wei, des Leben is ka Spaß.
Die Brünner Veranstalter haben sich auf dem Swejk ausgetobt.
Tomás Hejzlar 1. Dezember -1 zdroj Halo noviny
Das Stadttheater Brno (MdB) hat sich in den letzten Jahren in das Bewusstsein der breiten Zuschauerschichten insbesondere dank den einfallsreichen Musical-Projekten eingeschrieben, die im Vergleich zu einigen Prager Stereotypen mit nicht hoher musikalischer Qualität viele Autoren- und Durchführungsscharfblicke voller Invention bringen. Im Schatten dieser Musical-Produktion belieben manchmal im Theater in der Brünner Lidická-Straße die Schauspielertitel. Doch unrecht !
Diesjährige Prämiere der ursprünglichen Bühnendarstellung des berühmten Hasek´s Romans „Der brave Soldat Svejk“ hat wiederum bewiesen, dass das so vertraulich bekannte Thema aus verschiedenen Aspekten wahrgenommen werden kann - immer siegt jedoch die Wertsubstanz. Wir gedenken der Bühnen- und Filmversionen, derjenigen, die gelungen und auch untermittelmäßig waren, Hasek´s Genie setzte sich jedoch immer dank der überzeitlichen Weisheit der schlichten Vernunft durch. Eben auf der Auffassung des „Volkstheaters“ von Klicpera besiert die neue Brünner Version, die der Theaterdirektor Stanislav Mosa nicht nur als Autor vom Szenar sondern gleichzeitig auch als Regisseur realisierte. Vertrauliche Kenntnis des Theaterensembles machte es ihm möglich, einzelne Personen mit Rücksicht auf ihre typologische Charakteristik dramaturgisch so zu wählen, wie wir sie nicht nur aus ihrer szenischen Form, sondern auch dank der überzeitlichen bildenden Wahrnehmung in der Ausführung von Josef Lada fixiert haben.
Schon die Titelgestalt in der alternativen Auffassung von Zdenek Junák oder Erik Pardus lässt niemanden im Zweifel, dass der Hasek´s Geist auch auf der Brünner Bühne allgegenwärtig ist. Ihr Swejk ist unmittelbar aufrichtig, wahrhaft, typmäßig pointiert. Ebenso deutlich präsentieren sich auf der Bühne auch die weiteren Darsteller: Eva Jelínková bietet ihrer Frau Müller angemessene Portion der darstellerischen Volkstümlichkeit und Weisheit, die Partien von Bretschneider und Leutnant Dub (Karel Misurec bzw. Jan Mazák) kommen mit scheinbaren Zügen her, wie wir sie aus Filmen sowie auch Lada´s Zeichnungen im Gedächtnis haben, ebenso auch der Oberleutnant Lukás in der Einstudierung von Petr Stepán. Außer Acht dürfen wir auch nicht in „kleinen“ Rollen Jan Apolenár, Tomás Sagher, Stano Slovák und andere lassen. Alle sind schauspielerisch deutlich, so, wie sie in diesem Werk vom Klassiker ausklingen sollen, wahrgetreu, überzeugend, es mangelt bei ihnen nicht am Gefühl für leichten Ausdruck sowohl auch hie und da an Improvisation, aber dies nur im Rahmen des Regieplans, der dabei überall merklich ist. Vom Prolog an, der als eine Art volkstümliches „Theaters am Theater“ wahrgenommen wird, mit zeitgemäßen „Songs“ (samt unentbehrlicher Hymne der habsburgischen Monarchie) verändert sich dann die Bühne in logischen Abschnitten in gradierendem Rhythmus auf dem Hintergrund der szenischen Andeutung der damaligen Gewohnheiten mit Plakaten im Jugendstil und der Stilisierung der Kostüme nach der Handlung auf der Bühne (Ausstattung: Emil Kopecný, Kostüme: Andrea Kucerová).
Das Stadttheater Brno weiß sein Publikum zu schätzen, sein Bedarf wahrzunehmen (übrigens - wir leben in der kapitalistischen Epoche!), dabei unterbietet es sich nicht einmal im Titel, der dazu beinahe verleiten würde: Hasek´s Geschichten des braven Soldats Swejk auf der Bühne von MdB basieren auf dem Prinzip des Theaters der wesentlich realistischen Abbildung, die gleichzeitig einer scharfen Selbstkontrolle der vollkommenen künstlerischen Auffassung unterzogen wird.
Ein kleines Beispiel: in der Anabasis von Swejk kommen wir mit vielen Peripheriefiguren mit detaillierten schauspielerischen Kreationen zusammen. Während in den meisten zeitgenössischen tschechischen Theatern diese Kleinzeichnungen, meisterische Miniaturen mit künstlerischem Wert in die Ebene bloßer Ergänzung schwinden würden, auf der Brünner Bühne werden sie zu unvergesslichen Perlen - für alle wenigstens Auftritt vom Feldkuraten Katz in der Gestaltung von Ladislav Kolár oder die glänzend ausgearbeiteten gestisch -rhetorischen Nuancen von Ján Jackuliak als Pepek Vyskoc (Springauf). Ähnlicher Momente bieten die Brünner Autoren unzählig an. Auch dies ist Grund dafür, die Vorstellung als gelungen wahrzunehmen, abgesehen von weiteren Vorteilen.