Spätabend war’ s – der erste Mai ...
Tomáš Hejzlar 10. Mai 2004 zdroj Haló noviny
Eine der, was die Realisierung betrifft, bisher anspruchsvollsten Produktionen des Stadttheaters Brno – musikalische poetische Freske „Der Mai“, die auf die Motive und mit Benützung von Versen von Karel Hynek Mácha entstand, hatte ihre Erstaufführung symbolisch am ersten Abend des diesjährigen Mai. Die Inszenierung bietet den Zuschauern, außerhalb der einfallsreichen, zur Realisierung passenden Szene von Emil Konečný, zum Beispiel einen wirklichen See des Wassers in ganzer Breite der Bühne sowie fallenden Regen, und zwar nicht wie einen effektvollen Einfall sondern wie einen kompakten Bestandteil der Szenengestaltung. Und nicht nur: außerhalb der erlebten Regie, in der das gesprochene Wort auch bei der vollkommenen szenischen Variabilität der Schwerpunkt blieb, konnten wir bei der Erstaufführung die ausgewogenen schauspielerischen Kreationen bewundern; durch diese wurde die Aussagekraft der neuen Vorstellung erhoben.
Lizenz im Bereiche der neuen Werte
Die Autoren – Bühnenbuchautor Stanislav Moša und Musiker Petr Ulrych – bezeichneten die Verwicklung „Des Mai“ von Mácha, des berühmtesten Werks des tschechischen Romantismus vom 1836 – untraditionell – für jemanden vielleicht provokativ – als eine Detektivgeschichte. Beide Inszenatoren, die auf der Bühne des Stadttheaters Brno schon bedeutende Erfolge mit ursprünglichen und einfallsreich bearbeiteten Musicals Raduz und Mahulena und Kolocava (über Nikola Schuhaj) gewannen, bemühten sich diesmal den Grund zu entdecken, was hinter der literarischen Verführung von Jarmila steckt. Die Historiker, die im Vermächtnis von Mácha forschen, werden vielleicht auch die Zerlegung der Handlungsebene in Bühnenmehrdeutigkeit verdammen. Geben wir doch gleichzeitig zu, dass „Der Mai“ zum Glück ein so bekanntes Werk ist, dass eine gewisse schöpferische Lizenz der Tradition der berühmten Komposition hinsichtlich der neuen und eigenständigen künstlerischen Ambitionen der szenischen Darstellung nicht schaden kann (im Vergleich mit anderen musikalischen Darstellungen der literarischen Unterlagen, die nur von außen einschmeichelnd und unterwürfig heuchlerisch sind).
Hynek in der „schizophrenen“ Form
Die Gestalt von Hynek wurde vom Bühnenbuchautor Moša in den spielenden Dichter (Zdeněk Junák oder Viktor Skála) und singenden Barde (Petr Ulrych) geteilt. Diese szenische Schizophrenie bietet nicht nur die Möglichkeit der philosophischen Zerlegung des Themas sondern auch wirkungsvollere künstlerische Spezifikationen der Handlungsentwicklung. Die Gestalt von Jarmila (Markéta Sedláčková, Ivana Vaňková oder Eva Ventrubová) wurde von den Autoren originell bearbeitet – hier wie eine unbändigere Zigeunerin. Die Seefrau, die einmalig starke überwältigende Bühnenszenen bildet, wird durch die führende Vertreterin unseres Volksgesangs Hana Ulrychová mit ihrer deutlich stimmhaften Stimme dargestellt – und es gelang ihr, eine tiefe Realisationsintrospektion zu erreichen, die dank ihrer Innerlichkeit z.B. mit Hana Hegerová oder Jarmila Šuláková verglichen werden kann. In der Vorstellung tritt auch die bekannte Musikgruppe Javory auf. Mehr als die Hälfte der Musikbegleitung wird „live“ interpretiert, der Rest wird aus der Aufzeichnung gespielt.
Der Librettist Stanislav Moša nahm sich der Regie an, in der Zusammenarbeit der Ankleiderin Alena Kučerová, deren Einfluss auf das gesamte Ausklingen nicht unerheblich ist. Ein bedeutender Bestandteil der Vorstellung ist die Choreographie von Vladimír Koubek, der insbesondere in den Teilen mit den Zigeunerelementen den Absichten von Mosa, den Kontrast zwischen der Lyrik und Handlungsepik zu erreichen, vollkommen entgegenkam. Unter seiner Führung verwandelten sich die Protagonisten sowie Komparse in die intuitiv füllenden Subjekte, die dann, in eine Ganze zusammengelegt, nicht nur ein fasselendes Spektakel sondern eine suggestive Folge von Bildern bildeten.
Die Konzeption von Moša trägt einzelne visuell-akustische Elemente nur langsam auf, manchmal in einem raffinierten Sinneinbruch. Aber schon während der Handlung vergewissert sich der Zuschauer, wie die einfallsreiche Folge von Regieabsichten nicht nur mit dem Wesentlichen des Themas von Mácha sondern auch mit seiner Bühnentranskription in Brno mittönt.
Triumphierende Markéta Sedláčková
Eine der Hauptrollen – Wilhelm – wird wechselweise von Stano Slovák und Petr Štěpán dargestellt, die Gestalt seines Vaters wurde parallel von Jan Apolenář, Ladislav Kolář und Igor Ondříček einstudiert. Aber weder Apolenář noch Slovák, wie auch weitere Darsteller zeigten sich bei der Erstaufführung (1.5.) wie ausdruckszentrale Gestalten. Im Gegenteil, diese Position wurde von der erfahrenen Markéta Sedláčková mit ihrer beinahe animalisch erlebten, zigeunerisch durchgezeichneten Jarmila übernommen. Sie bildete hier ein einmalig überzeugendes Wesen. In Bewegung und Sprache nahm sie durch ihre kreative Überzeugungskraft, beinahe bösen Sinn für introspektives Durchdringen der Handlung mit der Gefühlsebene, ein.
Schöpferisches Suchen von Moša
Die Vorstellung, die sich durch literarische sowie Realisierungsausgeglichenkeit und dynamische Ausgewogenheit auszeichnet, erinnert in ihrer ersten Hälfte eher an die Epik von Tyl. Dagegen die zweite – mehr philosophisch aufgenommene – Hälfte kommt der expressiv gespannten Melancholie von Mácha (hier aber mehr der von Byron) nahe. Moša nutzt viele Ausdrucksmittel aus – vom klassischen sonoren Rundfunkklang, der tonmalenden Wirksamkeit (Wassereintröpfelung in der Zelle) bis zu den ziselierten choristischen Voicebands. Im gespannten Gipfel des zweiten Aktes mit dem suggestiv wirkenden Chor von Phantomen von Mácha kommt es sogar zu expressiven „Realisationskraftlinien“ zu, die in ihrer Form der schöpferischen Werkstätte von den Persönlichkeiten wie Otomar Krejča, Vladimír Morávek, J. A. Pitinský oder Alfred Radok nahe kommen. Mit dem Ensemble des Stadttheaters Brno stieg Moša auf eine weitere deutliche Stufe der imaginären inspirativen und schöpferischen Spirale auf, ohne effektvolle Oberflächlichkeit (zum Beispiel die Beleuchtung ist mäßig aber einfallsreich funktionell) misszubrauchen. Die Überzeugungskraft des Textbuches der Bühnenneuheit von Mácha, die Bearbeitung sowie die Ausführung sind so prägnant, dass jede Zerkleinerung dieses kompakten Gebildes mit Worten nur schaden würde.
Musikalische poetische Freske „Der Mai“ bat einen See und Regen auf der Bühne
Pavel Gejdoš 1. Mai 2004 zdroj ČTK
Die Erstaufführung der musikalischen poetischen Freske „Der Mai“, die auf die Motive und mit Benützung von Versen von Karel Hynek Mácha entstand, wurde vom Stadttheater Brno gerade heute symbolisch in Szene gesetzt. Eine der bisher anspruchsvollsten Produktionen des Ensembles bat ihren Zuschauern einen wirklichen See auf der Bühne sowie einen fallenden Regen. Darüber hinaus wurde Jarmila von den Autoren original behandelt – wie eine unbändigere Zigeunerin.
Die Autoren, Bühnenbuchautor Stanislav Moša und Musiker Petr Ulrych, bezeichneten die Verwicklung von „Dem Mai“ als einen Krimi. Beide Inszenatoren bemühen sich, darauf zu verfallen, was hinter der Verführung von Jarmila steckt. Die Gestalt von Hynek wurde von Moša in einen spielenden Dichter und einen singenden Barde geteilt. Der Barde wird gerade von Ulrych dargestellt. Die Seefrau wird durch seine Schwester Hana Ulrychová gestaltet. In der Vorstellung spielt auch ihre Musikgruppe Javory.
ÜBER DIE VORBEREITETE MUSIKFRESKE MÁJ (MAI)
27. April 2004 zdroj MF Dnes
Petr Ulrych – Komponist, Leiter der Kapelle Javory
Am Wochenende wird im Stadttheater die Musikfreske auf die Motive der berühmten Dichtung Máj von Mácha aufgeführt werden. Es handelt sich um eine gemeinsame Arbeit von mir und dem Regisseur und gleichzeitig Bühnenbuchautor Stanislav Moša. Máj stellt meine bisher größte szenische Komposition dar. Das Werk von Mácha ist fest mit dem Romantismus verbunden, und so versuchten wir nicht, etwas Romantisches zu unterdrücken. Die Zuschauer werden wieder wahre Kapelle hören und ähnlich wie in Koločava wird auch in Máj meine Schwester Hanka auf der Bühne singen. Sie wird sich in der Rolle der Seefrau vorstellen. Ihre Stimme bedeckt die vielleicht emotionellsten Läufe. Die Zuschauer werden natürlich auch Zimbel hören. Wie ein anderes Musikinstrument wählte ich Oboe aus. Es handelt sich um die Kombination der lebendigen Musik und des Playbacks. Aber nicht nur in der Aufnahme benutze ich unterschiedliche ethnische Schlaginstrumente. Aber Javory werden vorwiegend die Zigeunerweisen spielen, weil in unserer Inszenierung die Geliebte von Wilhelm Jarmila ein Zigeunermädchen ist.
Ich hatte keine Angst, die Cupletten zu benutzen, die mit Populären- oder Volkslieder grenzen. Was die Genres betrifft, wollte ich bis zur heutigen Zeit kommen. Die Hauptbotschaft von Máj fand ich persönlich im Verlauf der Zeit. Mögen die Augenblicke so schnell laufen, wie sie wollen, dauert etwas doch immer. Wie es Mácha schrieb: Die klaren Sonnen der anderen Welten werden wieder erscheinen und neue Sterne werden wieder geboren. (Slunce jasná světů jiných zase objeví se a nové hvězdy, hvězdné hloubky zase narodí se.)
„Der Mai“ in der Rezension des Tschechischen Rundfunks
David Kroča 1. Dezember -1 zdroj Tschechischer Rundfunk
Die Theaterform des Gifpelwerks der Widergeburtsdichtung und der tschechischen Poesie im Ganzen bereitete auf der Bühne des Stadttheaters Brno für die Zuschauer mehrere Überraschungen vor. Vor allem wird der verblüfft, für den das Lesen von „Dem Mai“ von Mácha bisher die Weilen einer intimen Beruhigung und lyrischen Reflexion bedeutete. Seit dem ersten Auftritt, dem der Tanz einer Zigeunergruppe dominiert, lässt der Regisseur Stanislav Moša den Zuschauer nicht zweifeln, dass er ein großartiges Spektakel sehen wird. Im Vordergrund der Szene befindet sich ein, von wirklichem Wasser voller See, unter den Zigeunern lohen wirkliche Flamen einer großen Feuerstelle. Wasser und Feuer – zwei Naturgewalten, die während der Vorstellung nicht nur akzentuierte Gegensätze zwischen Frauen und Männern sondern auch die Veränderlichkeit des Menschenlebens symbolisieren.
Aus der Vorlage von Mácha nahm Moša die Hauptmotive der Handlung und bekannte lyrischen Passagen über, gleichzeitig erweiterte er die ursprüngliche Fabel um neue Bedeutungen. Aktuell brachte er die Rassenfrage ins Spiel, weil das Mädchen von Wilhelm Jarmila eine Zigeunerin ist und der Zuschauer wird auch einen anschaulichen Vatermord sehen, wann der Führer der Räuber und „ein furchtbarer Herr der Wälder“ den Verführer seiner Geliebte tötet. Die Bearbeitung zielt doch zur unmäßigen Worttreue, in der die Leichtigkeit der ursprünglichen Metapher sowie natürliche Bildhaftigkeit der Naturschilderung ein bisschen verschwindet. Nachdem der Verbrecher mit aller Theatralik hingerichtet wurde, endet die Inszenierung mit mehrminutenlangem Finale, in dem die patriotischen Verse von Mácha in gewaltigen Wellen des Chorgesangs lauten.
Zu den gelungensten Teilen der ambitiösen Inszenierung gehören dagegen die Szenen, in den Andeutung und Bühnensymbol dominieren. Wirkungsvoll ist z.B. die Voicebandrezitation, die die Meditation des Gefangenen über Ewigkeit begleitet. Der regelmäßige Klang des auf den Wasserspiegel gefallenen Tropfens wird hier mit der rhythmisierten Rezitation gemischt und so evoziert er das Symbol einer ständig vergehenden Zeit. Gelungen ist auch die Szene des Nachtballs, in der die hervorragend maskierten Chorsänger einen Tanz von Geistern darstellen, die mit leichter Übertreibung gesagt, eine beengende überirdische Atmosphäre bilden.
Die Choreographie des gastierenden Vladimír Kloubek bemüht sich, dieses außergewöhnliche szenische Element möglichst viel auszunutzen, was ein ausgedehnter See auf der Bühne ohne Zweifel ist. Einige Tanzkreationen, z.B. Auftritte der Schwäne, lauten dennoch stereotyp und etwa traditionell aus. Was die schauspielerischen Leistungen betrifft, wirkt das Ensemble von Brno überzeugend. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer konzentriert sich vor allem auf die Gestalt der jungen Zigeunerin Jarmila, in der drei Schauspielerinnen alternieren: Markéta Sedláčková, Eva Ventrubová und Ivana Vaňková. Ich hatte die Möglichkeit, Ivana Vaňovká zu sehen, die nicht nur ihre Anmut beim Tanz im Wasser zu erheben wusste, sondern sie zeigte auch ihre Gesangskunst im Alleinlied am Anfang des zweiten Akts. Peter Ulrych, während er die schönen Lieder schrieb, vergaß auch nicht seine Schwester Hana Ulrychová, die in der Rolle der Seefrau mehrmals mit ihrem suggestiven Ausdruck sowie verehrungswerten Stimmumfang das Publikum erstarrt. Einen sehr guten Ausdruck aus dem Musikbestandteil der Inszenierung machte auch die Musikgruppe Javory, die die ganze Vorstellung live spielt.
Die poetische Freske auf die Motive „Des Mai“ von Mácha setzte auf die außergewöhnlichen szenischen Effekte und ausladende pathetische Geste. Keine Zweifel darüber, dass gerade diese Auffassung der literarischen Klassik eine Menge von neugierigen Zuschauern in den Zuschauerraum des Stadttheaters Brno anlocken wird. Falls Sie zu diesen gehören möchten, müssen sie einige Monate warten. Die Wiederaufführungen von „Dem Mai“ sind bis zum Ende der Theatersaison ausverkauft.