DIE SCHWERE BARBARA ODER ÜBER EINEN KLASSIKER
Luboš Mareček 20. Januar 2015 zdroj Lidové noviny
Auf der Musikbühne des Stadttheaters Brno sind nicht nur opulente Musicals zu sehen. Als Pendant zu den großen Kassenschlagern wurde nun Die schwere Barbara aus der Feder von Werich, Voskovec und Ježek aufgeführt – einst der vorletzte Titel des Befreiten Theaters aus dem Jahr 1937, bevor ihm im darauffolgenden Jahr die Konzession entzogen wurde, was de facto sein Ende bedeutete. Dem modernen Publikum wurde das Stück durch Regisseur Stano Slovák und sein Team auf der Kammerbühne des Stadttheaters Brno präsentiert.
Die schwere Barbara reflektiert schonungslos den Aufzug des Faschismus und seine Menschenverachtung. Gern wird auch behauptet, das Stück vermittle eine allgemein gültige Botschaft. In Brno jedenfalls wurde es eher als optimistische Komödie darüber gespielt, wie notwendig es ist, die Demokratie und innere Ordnung in Edam zu erhalten. Und dass sich dies auch mit Humor erreichen läst. Dem einen mag dies unter Verweis auf die Initialen V+W als genügend erscheinen, dem anderen als zu wenig. Doch jenem Letzteren wird das Gefühl der Leere sicher etwa durch Jaroslav Ježeks unsterbliche Hits wie Holduj tanci, pohybu, Vy nevíte, co je středověk oder Sláva mu, on je pašák genommen. Der Gefahr, allzu zeitgenössisch zu werden und sich bei den Auftritten auf der Vorbühne zu sehr an den Künsten von Voskovec und Werich zu messen, wurde bei der Brünner Inszenierung auf ganz eigene Art begegnet. „Werich“ selbst sowie den Ersten Söldner spielte Michal Isteník, „Voskovec“, Jirka und den Zweiten Söldner dagegen Jiří Ressler. Die beiden eröffnen die Inszenierung durch einen Dialog auf der Vorbühne, in dem sie als sie selbst figurieren und in keiner Weise versuchen, das Original zu kopieren, sondern ganz im Gegenteil das Publikum für ihre Art des Humors und der leichtfüßigen Improvisation zu gewinnen suchen. Dies darf wohl als geglückter Schritt betrachtet werden. Den beiden gelingt es, das Interesse des Publikums zu gewinnen, und man hat nicht den Eindruck, dass es hier nur darum geht, die ehrenwerten Klassiker wieder einmal von ihrer Staubschicht zu befreien.
Diesen Eindruck des Publikums verstärkt einerseits die Ausstattung von Jaroslav Milfajt, der aus hellem Holz verspielte Kulissen gestaltete, welche an einen Baukasten für Kinder erinnern. Andererseits wird der Komfort des Zuschauers durch die schauspielerischen Leistungen im zu erwartenden Rahmen der parodierten Menschentypen befördert – so begegnen wir etwa dem unentschlossenen Bürgermeister, dem schwächlichen Hauptmann, dem leutseligen Käser, dem vorlauten Dienstmädchen oder dem bedrückten Lehrer. Einfach so ein nettes Panoptikum, das niemandem zu nahe kommt und niemanden verletzt. Das Feuerwerk an komödiantischen Leistungen, die von Zdeněk Junák als Bürgermeister, Patrik Bořecký als Hauptmann, Lucie Zedníčková als seiner Frau, von Vojtěch Blahuta als Lehrer oder von Ladislav Kolář als Schlossherr geboten werden, folgt dabei ganz den angedeuteten Intentionen.
Zu den positiven Seiten von Slováks gemäßigter und keinesfalls ikonoklastischer Inszenierung gehört neben dem Vorbühnenauftritt von Michal Isteník und Jiří Ressler auch die von einem Live-Orchester gespielte erfrischende Mischung von Ježeks Evergreens.
SCHWIERIGKEITEN MIT DER SCHWEREN BARABARA
Peter Stoličný 16. Dezember 201 zdroj www.musical-opereta.cz
Die Premiere Der schweren Barbara auf der Schauspielbühne des Stadttheaters Brno besuchte ich mit Unsicherheitsgefühl und Befürchtungen. Noch davor lud ich Die Schwere Barbara – Inszenierung des Theaters Divadlo Komedie - von YouTube herunter. Und ich fürchtete, ob die Premiere gelingen wird…
Das erste Plus war die Auswahl der Szene. Auch wenn die Musikkomödie auf der großen Musikbühne zu Hause ist, ist die Kammerumgebung der Schauspielbühne vielmehr besser. Der Raum des Prager Theaters Divadlo Komedie ist vielleicht noch etwas kleiner. Gelungen ist auch die Szene von Jaroslav Milfajt, deren Einfachheit und Zweckmäßigkeit durch die ursprünglichen Dekorationen von V+W inspiriert wurden. Ein weiteres Plus ist die Dramaturgie von Jan Šotkovský. Hier finde ich kleine Modifizierungen, auf denen auch Regisseur Stanislav Slovák und Schauspieler Michal Isteník und Jiří Ressler teilnahmen. Und es geht auch um die Wahl des Stücks. Während viele Stücke, die V+W schufen, dank ihrem Charakter eher zu Revue gehören, ist die Handlungslinie Der schweren Barbara und ihre Innenstruktur dem klassischen Drama nah.
Wie kann man Vorbühnen ersetzen?
Es gibt Versionen, in denen die Auftritte der Protagonisten vor dem Vorhang lieber unterlassen oder minimiert sind und das Witzigste von ihnen direkt in das Stück eingeordnet ist. Dramaturg Šotkovský und Regisseur Slovák folgten diesen Weg zum Glück nicht. Sie wählten einen mehr anspruchsvollen und vielmehr gefährlichen Weg aus: solche Schauspieler finden, die jene berühmten Vorbühnen zu bewältigen wüssten. Und es wurden Michal Isteník (man kann sagen, dass er Jan Werich „vertritt“) und Jiří Ressler (dieser ist also „vertretender“ Voskovec, oder Horníček) gewählt. Die Anführungszeichen sind hier am Platze. Zum Glück versuchen die beiden Schauspieler nicht, V+W oder H+W darzustellen. In einigen Aspekten sind sie ihnen natürlich ähnlich (Poetik, Wortspiele), in anderen sind sie doch anders. Sie erinnerten mir sehr an den korpulenten Satinský und mehr intellektuellen, schlanken Lasica in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts.
Uff, ich atmete tief auf, wenn die ersten Vorbühnen hinter uns waren. Ja, das ist es! Man kann nicht sagen, dass sie nur nachahmen, die beiden sind ausgezeichnet – auch wenn man natürlich vergleichen muss. Nach der Vorstellung schaute ich mir in PC noch einmal einige Vorbühnen von W+H. Und jene aus dem Stadttheater Brno können mit diesen ruhig verglichen werden. Zusammen mit Werich traten im Theater „Osvobozené Divadlo“ viele heute berühmten und gelobten Schauspieler auf. Doch, was die Mut und durchgedachte Auffassung betrifft, blieben die gegenwärtigen Schauspieler und Regisseur Stanislav Slovák hinter jenen berühmten Teams der Vergangenheit gar nicht zurück. Der biedere Bürgermeister von Zdeněk Junák, wie auch Hauptmann von Patrik Bořecký oder seine noble Ehefrau Elizabeth in der Darbietung von Lucie Zedníčková, das waren wunderschön expressiv dargestellte Figuren. Und diesen sekundierten ganz natürlich auch die anderen: Ladislav Kolář als Schlossherr, ausgezeichneter Lehrer von Vojtěch Blahuta, ausgeprägter Käser in der Darbietung von Jakub Uličník oder Ausländer von Rastislav Gajdoš. Ihre Stilisierung in der Regie von Stanislav Slovák war geschlossen, ein bisschen der Commedia dell´arte nah. Auf ähnliche Weise setzte Slovák auch das ausgelassene Musicalmärchen Schneewittchen und die sieben Zwerge in die Szene. Das Publikum reagierte dankbar. Besondere Aufmerksamkeit ist den Girls sowie den Jungen neben diesen zu widmen, ich weiß nicht, wie sie zu nennen sind. Einfach nur „Company“. 1960 im Theater Divadlo Komedie war es eine Gruppe von sich ausdruckslos bewegenden Figuren. Sie hatten nicht solchen Hintergrund wie im Stadttheater Brno, wo sie an andere Belastung in allen gegenwärtigen Musicals gewöhnt sind. In jenem Jahr 1960 waren die Inszenatoren froh, wenn die Beine etwa gleichzeitig nach oben gingen. Es ist gut, die alte Aufnahme zuerst zu sehen und erst dann bewerten, was die „Company“ in Brno zu machen weiß.
Unterstrichen, summiert
In Brno gelang ein gewagtes Stück. Ein berühmtes Werk von Voskovec und Werich auf der Bühne zu beleben. Diese beide sind leider schon im Himmel. Und vielleicht schauen sie auf Brno herab und reiben sich die Hände, weil ihr Spaß hier schon seit 110 Jahren ist.
Kann man den Lockungen von V+W widerstehen?