DAS DRAMA VON SALEM LÄSST DAS PUBLIKUM DURCH DIE HANDLUNG WIE DURCH DIE LEISTUNGEN DER SCHAUSPIELER FRÖSTELN
Lenka Kolegarová 27. Februar 2018 zdroj Brněnský deník
(…) Wie weit einen Menschen die Angst und der psychische Druck der Umgebung treiben kann, zeigt die neueste Schauspielpremiere des Stadttheaters Brno. Arthur Millers auf einer wahren Begebenheit beruhendes Drama Hexenjagd wurde von Regisseur Mikoláš Tyc einstudiert. Sein modernes Herangehen an ein historisches Ereignis schöpft aus dem starken Text und vor allem aus ungemein wirkungsvollen Leistungen der Schauspieler. (…) In Millers Stück beschuldigt die junge Abigail Williams, verschmähte Geliebte des bodenständigen Farmers John Proctor, aus Eifersucht dessen Ehefrau Elizabeth und andere Mitbürger der Hexerei. Die daraus entstehenden Wirren resultieren in zwei Dutzend Todesopfern. Regisseur Mikoláš Tyc verbannte den historischen Kontext der Handlung gezielt in den Hintergrund und akzentuierte eher die zeitlose Botschaft des Stücks. Als Hauptthema griffen die Schöpfer der Inszenierung die Angst in ihren verschiedensten Ausprägungen und auch das Motiv der „kranken“ Gesellschaft auf, wo bereits ein Körnchen Angst genügt, das ganze Gefüge von innen zu zerstören. (…) Petr Štěpán als John Proctor verkörpert mit seiner robusten, männlichen Statur hervorragend den Typus des hart arbeitenden Farmers, der für den Rest seines Lebens für seine einzige Sünde büßen wird: seine Untreue. Im Gegensatz zu den anderen ist er in der Lage, die Verantwortung auf sich zu nehmen und sich dem fanatischen Wüten des Gerichts entgegenzustellen. (…) Den Prototyp der hingebungsvollen, treuen und liebenden Ehefrau Elizabeth, die ihr Los stoisch hinnimmt, verkörpert ganz ausgezeichnet Lenka Janíková. Der Dialog zwischen den Ehegatten vor der Verkündung des Urteils gehört zu den Höhepunkten der Inszenierung. Die hochkomplexe Figur der Abigail Williams als teuflischer Verführerin, verschmähter Liebhaberin, Lügnerin und rachsüchtiger Bestie wurde hervorragend von Barbora Goldmannová gespielt, die erst seit kurzem dem Ensemble angehört. Den stellvertretenden Gouverneur Danforth, der als fanatisierter allmächtiger Richter ohne Wimpernzucken über Leichen geht, spielte mit vollem Einsatz Jan Mazák. (…)
EIN DRAMA DES GRAUENS IM STADTTHEATER BRNO
Peter Stoličný 27. Februar 2018 zdroj www.i-divadlo.cz
(…) Bei der Aufführung der Hexenjagd lag die Betonung auf dem schauspielerischen Ausdruck. Keine speziellen Finessen, mit denen die Regie sonst gern ihren Einfallsreichtum (bisweilen als reinen Selbstzweck) demonstriert. Alles ist allein Millers Text und einer reifen, dynamischen Schauspielkunst untergeordnet. Beide sind auf der Bühne so präsent, dass wirklich nichts weiter hinzugefügt werden muss. Die Hauptrolle hat hier John Proctor, ein aufrechter Mann, dessen einziger Fehltritt ein Seitensprung war, für den er anschließend schwer büßen muss. Durch die robuste Gestalt Petr Štěpáns und seine ebenso männliche Art wird auf der Bühne ein geradezu antikes Martyrium vermittelt, aus dem es keinen Ausweg gibt. Das gleiche innere Leid hat Lenka Janíková als Proctors Ehefrau zu tragen. Die komplexe Figur von Abigail Williams, der verschmähten Liebhaberin John Proctors, einer Fanatikerin und Lügnerin, spielt Barbora Goldmannová. Ganz besonders fasziniert durch ihre Unschuld und ihr inneres Schwanken Eliška Skálová als Mary Warren. Eine markante Gestalt ist Zdeněk Junák als Farmer Giles Corey. Viktor Skála und Michal Isteník (Pastor Parris und Pastor Hale) offenbaren, jeder in einer anderen Position, ihre Feigheit und Schwäche, die es ihnen unmöglich macht, sich der Realität zu stellen. Eine geradezu unheimliche Rolle spielte Jan Mazák als allmächtiger stellvertretender Gouverneur Danforth, in dessen Auftritt sich Elemente eines bedächtig abwägenden Menschen wie auch eines fanatischen Richters fanden. Sein von Arthur Miller erdachtes teuflisches Argument, dass er doch nicht Dutzende unschuldig Verurteilter vom Tod am Strang freisprechen könne, wenn schon andere für das gleiche Vergehen der Hexerei hängen, wurde von Jan Mazák überaus überzeugend interpretiert. (…)
ARTHUR MILLERS ZEITLOSES GLEICHNIS IN EINER EFFEKTVOLLEN AUFFÜHRUNG DES STADTTHEATERS BRNO
Jaroslav Štěpaník 16. Februar 2018 zdroj www.literarky.cz
Auf der Schauspielbühne des Stadttheaters Brno erlebte Arthur Millers bedeutendes Drama Hexenjagd seine Premiere. (…) Auslöser der obskuren und tragischen Handlung ist wie so oft ein ganz geringfügiger Anlass. Eine Gruppe von Mädchen tanzt im Wald, wobei eine von ihnen eine Zauberformel spricht. Im Grunde handelt es sich um ein pubertäres Spiel mit ein wenig reizvoller Geheimnistuerei. (…) Zwei der ertappten Mädchen täuschen aus Angst vor Bestrafung Ohnmachtsanfälle vor. Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Verdacht des Wirkens magischer Kräfte. Es beginnt sich ein absurdes düsteres Karussell zu drehen, dessen selbstverständlich unschuldige Passagiere immer mehr werden. Nicht mehr nur die Mädchen sprechen ihre Anschuldigungen aus, es beschuldigt nun fast jeder jeden. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf. (…) Regisseur Mikoláš Tyc konnte sich auf ein herausragendes Schauspielensemble stützen. Die Schlüsselrolle des schwankenden John Proctor verkörperte sehr überzeugend Petr Štěpán. Allzu spät entschließt er sich, sein kurzes außereheliches Verhältnis zu gestehen und Licht in die ganze Angelegenheit zu bringen. Er ist ein widersprüchlicher Held, jedoch eine nachvollziehbare und psychologisch überzeugende Figur, die auch der Schauspieler präzise herüberkommen lässt. Er erliegt dem Druck des Gerichts und gesteht seine Schuld, lehnt es jedoch ab, auch andere zu nennen. So ist ihm der Galgen sicher. Seine Ehefrau hat eine relativ klar und gleichmäßig ausgerichtete Rolle, von Lenka Janíková wurde die verschlossene, nach außen „kühle“, rationale, puritanische Frau sehr präzise und einfühlsam gespielt. (…) Die Darsteller der Männerrollen haben sich ohne Ausnahme ein Lob verdient. Michal Isteník verkörperte ausgezeichnet die Verwandlung des ehrenwerten John Hale, der, in seinem Glauben gefangen, die Spirale des Unheils in Bewegung setzt, dann jedoch, wenngleich zu spät, seinen Fehler und seine Schuld erkennt. Ändern kann er nichts mehr, doch lehnt er die weitere Teilnahme am Prozess ab. Viktor Skála als ehrwürdiger Pastor sträubt sich zunächst gegen die Annahme, bei den Zuständen der Mädchen könne es sich um etwas anderes als eine gewöhnliche Krankheit handeln. Dafür hat er einen guten Grund – schließlich hat er die Mädchen im Wald beim Tanz ertappt. Nach anfänglicher Vorsicht zeigt er jedoch das Antlitz eines Fanatikers, der einen Scheit nach dem anderen auf den künftigen „Scheiterhaufen“ legt. Der kernige Giles Corey (Zdeněk Junák) gehört zu jenen, die in ihrer Offenheit und Direktheit unwillkürlich und ungewollt etwas aussprechen, das einen nahestehenden Menschen das Leben kosten wird. Mit seinen späteren Bemühungen wird er nichts mehr ausrichten können. Auch Jan Mazák verleiht seinem stellvertretenden Gouverneur Danforth eine Authentizität, die das Publikum frösteln lässt. (…) Von den weiblichen Figuren darf Eliška Skálová in der Rolle der Mary Warren nicht unerwähnt bleiben. Ihre Figur macht eine Reihe von Peripetien durch. Gegenüber den Vertretern der Staatsmacht wie dem starken sozialen Druck verteidigt sie die Wahrheit, zeigt eine Stärke, die die eigene Angst überwindet, um sich schließlich zu beugen und in der Gruppe zu ihrer, zur allgemeinen, gerichtlich bestätigten Täuschung, zur eigenen Selbsterhaltung zurückzukehren. (…)
IN BRNO HERRSCHEN FANATISMUS UND RÜCKSTÄNDIGE VERBLENDUNG
Jiří P. Kříž 15. Februar 2018 zdroj Právo
(…) Im Drama Hexenjagd kommen die Ereignisse – Angriffe, Beschuldigungen, Festnahmen und Hinrichtungen – ganz unauffällig in Bewegung, als nach Wiederherstellung der Gottesfurcht und Austreibung der teuflischen Versuchungen gerufen wird. Doch dann gerät alles außer Kontrolle, und die Lawine können auch jene nicht mehr anhalten, die sie losgetreten haben und nun gern wieder den ursprünglichen Zustand der Dinge herstellen möchten. Dies ist der Grund, warum auch Pastor Parris mit Erleichterung und Gott dankend das Geständnis des Farmers John Proctor über seine Bündnisse mit finsteren Mächten annimmt. Hexenjagd muss heute nicht in historischen Kulissen und Kostümen gespielt werden. Andrej Ďurík und Aneta Grňáková ist es gelungen, ganz nach der Absicht des Regisseurs ein zeitloses Thema auf die Bühne zu bringen. Hervorzuheben sind die schauspielerischen Leistungen von Petr Štěpán, Lenka Janíková, Jan Mazák, Michal Isteník und insbesondere von Barbora Goldmannová in der Rolle von Abigail, der Gefährtin des Bösen. Auch die Musik von Jiří Hájek untermalt in finsteren Tönen das Festhalten an Dogmen, die Erhebung der Lüge zum Machtprinzip und die Intrigen gegen die Mitbürger mit dem Ziel der eigenen Bereicherung. (…)