Napoleon oder Die Alchemie des Glücks als Premiere im Brünner Bischofshof
Lenka Sedmíková 2. Juni 2021 zdroj Brněnský deník
Unter der Regie von Stanislav Slovák und unter Mitwirkung des Bühnenbildners Jaroslav Milfajt, des Dirigenten Karel Cón und des Dramaturgen Jan Šotkovský ist die Weltpremiere eines Musicals entstanden, in welchem sich in Brno herausragende historische Persönlichkeiten verschiedener Epochen begegnen und so den Nährboden für zeitlose Geschichtsbetrachtungen und allerhand Fabulierungen liefern.
Großes Lob verdient auch die Kostümbildnerin Andrea Kučerová, welche die jugendliche Fortuna (Alžběta Janíčková) als vermeintliche Glücksbringerin Churchills, die zum Auftakt des Musicals tanzt und ihm in seinen Träumen erscheint, in ein wehendes rotes Kleid hüllte und ihr damit ein unschuldiges und dennoch magisches Aussehen verlieh. Janíčková wirkte bezaubernd und unterstrich durch ihren Tanz ihre Weiblichkeit und ihre Eleganz, mit der sie Churchill zu seinen Großtaten inspirierte. Die durchdachte Lichtkomposition, in der sich Licht, Schatten und Dunkelheit abwechseln, unterstrich den Eindruck einer herausragenden Vorstellung.
Witzige Anspielungen auf den Umzug des Hauptbahnhofs sorgten ebenso wie der verwirrte Polizeipräfekt für eine ausgezeichnete Unterhaltung des Publikums, welches dies mit aufrichtigem Lachen und dankbarem Beifall während der gesamten Vorstellung quittierte. Zum Abschluss der Premiere wollte der grandiose Applaus kein Ende finden, das unermüdlich klatschende Publikum holte alle Mitwirkenden mehrere Male auf die Bühne zurück, wo es nicht nur Blumen für die Damen, sondern auch Geschenkpakete für die männlichen Akteure gab.
In der Handlung vermengen sich scharfe Satire, traurige Wahrheit und Übertreibung, tatsächliche geschichtliche Ereignisse und erfundene Episoden, während die Figuren so witzig karikiert werden, dass sie stellenweise nur noch Kreaturen sind.
Wahrheiten und Mythen über das Glück der zwei Haupthelden
„Lerne zu gehorchen, und du wirst zu herrschen wissen“ sprach der athenische Staatsmann Solon, der von 638 bis 558 v. Ch. lebte. Napoleon hörte nur wenig auf sein Volk, gab sich seinem Egozentrismus und der ihm angeborenen Diktatorenrolle hin, doch hört er auch auf seine zweite Gemahlin, die um viele Jahre jüngere österreichische Erzherzogin Marie Luise von Habsburg-Lothringen, welche nach der Eheschließung mit Napoleon I. zur Kaiserin von Frankreich wurde. Gerade diese Frau trieb ihn durch ihre Schönheit, aber auch ihre Unersättlichkeit und Habgier zu immer weiteren Kriegen an, so dass er nicht auf Elba blieb, sondern sein definitives Ende, auch durch die Erschöpfung seiner ohnehin schon dezimierten Armee und die Niederlage in der Schlacht bei Waterloo, erst auf der Insel St. Helena fand.
Ja, wie die Geschichte viele Male und nicht nur im Falle von Staatsmännern gezeigt hat, gilt stets die französische Redewendung „Cherchez la femme“, deren Autorschaft sowohl Kardinal de Richelieu als auch Alexandre Dumas dem Älteren zugeschrieben wird.
Dagegen gilt für Churchills geliebte Clementine, bei der sich eine geradezu antike Schönheit mit einnehmender Güte verband, uneingeschränkt der Satz František Hrubíns „Jede Frau hat die Macht, den Mann, welchen sie liebt, schön und liebenswert zu machen.“ Nicht nur mit ihren äußerlichen Reizen, sondern auch mit ihrer Liebenswürdigkeit und ihrem Witz bezauberte sie Winston Churchill so sehr, dass er sie nicht nur zur Ehefrau nahm, sondern auch aufmerksam ihren Ansichten zur Persönlichkeit des Premiers und den Ereignissen rund um seine Person Gehör schenkte – und zu Recht zu dem Schluss gelangte, dass ihre Gegenwart an seiner Seite das wahre Glück ist.
Napoleon in Brno
Peter Stoličný 1. Juni 2021 zdroj www.i-divadlo.cz
Ein buntes künstlerisches Programm im Bischofshof. Inszenierungen vor der Kulisse der Kathedrale St. Peter und Paul sind ein ganz besonderes Erlebnis.
Die Dekoration des Renaissancehofs eignet sich auch für Titel, die direkt für diese Kulisse geschrieben wurden: den witzigen Aufstand der Erbsen über das Leben des Naturforschers Mendel, das Epos vom Baron Trenck, dem Pandurenführer, der sein Leben in Gefangenschaft auf dem Brünner Spielberg beendete, oder die inszenierte Legende vom Brünner Rad. Hinter all diesen Inszenierungen stehen der Schauspieler des Stadttheaters Petr Štěpán, der Dramaturg Jan Šotkovský, der Schauspieler und Regisseur Stanislav Slovák sowie der Komponist und Dirigent Karel Cón. Denn in allen Stücken dieses Autorentrios wird gespielt, getanzt und gesungen. Und stets ist ihr Inhalt eine sehr freie und unterhaltsame Auslegung konkreter geschichtlicher Ereignisse, die in irgendeiner Weise mit Brno zusammenhängen. So hat etwa in Baron Trenck die gleichnamige Hauptfigur ein Techtelmechtel direkt mit Maria Theresia. Auch die jüngste „Geschichtsinterpretation“ ist mit Brno verbunden, genauer gesagt mit einem Aufenthalt des britischen Premierministers Winston Churchill, der nur wenige Tage auf der nahegelegenen Burg Veveří weilte. Auch hier haben die drei gerissenen Autoren wieder voll zugeschlagen und in ihrer Weltpremiere ihr ganz eigenes Geschichtsbild zum Besten gegeben. Ihre Inszenierung NAPOLEON oder Die Alchemie des Glücks ist wiederum eine gelungene, humorvolle Auslegung der Historie der Stadt Brno.
Bei Inszenierungen dieser Art kommt es immer auf die Songs an. Hier wurden sie von Karel Cón komponiert und vom Orchester des Stadttheaters Brno live im Laubengang des Renaissancebaus im Hintergrund der Bühne gespielt. Hinzu kommen noch einige unauffällige, aber durchaus wichtige Eingriffe des Szenografen Jaroslav Milfajt, der das Bühnenbild um manche Teile bereichert hat. Dem Zuschauer mag es geradezu erscheinen, als hätten sie dort schon immer gestanden, so perfekt passen sie vom Stil her in die Renaissanceumgebung.
Jedes Jahr sind die sommerlichen Vorstellungen im Bischofshof ein wahres Fest der Theaterkunst. Doch das Jahr 2021 wird ganz besonders sein, denn nach der Pandemie und den durch sie verursachten „Entzugserscheinungen“ wird jede Aufführung ein solches Fest der Musen sein wie dieser Premierenabend des neuen Titels Napoleon.