Beatles für alle, alles für Beatles!
Tomáš Kubart 1. Februar 2009 zdroj Rozrazil Online
Wie ein angenehmes Gemisch der vergangenen Realität und intimen Erlebnissen scheint die neuste Dramatisierung des historisch-abenteuerlichen Romans vom weltbekannten Alexander Dumas dem Älteren aus der Werkstatt der einfallsreichen Regisseurin Hana Burešová zu sein. Die notorisch bekannte Geschichte über Ehre und heiße Blut, über Ruhm und Nobelintrigen wurde vom Inszenierungsteam in wunderschöner Übersetzung von Růžena und Jaromír Pochovi erzählt. Die Königin und ihre Ehre sind unter allen Umständen zu schützen; übrigens, die Musketiere dienen der Königin sowie dem König, und falls die Wehrlose durch den schlauen Kardinal mit bedenklicher und dunkeler Vergangenheit bedroht wird, man muss sicher ins Mittel legen. Jeder weiß es doch!
Was aber wenn d’Artagnan nur ein kleines Mädchen ist, de Tréville sich anstelle seines Lobs nur darüber kümmert, dass die Musketiere rechtzeitig zum Abendessen kommen und wenn jedes Duell von der Gardistin Smetáková (Besen) gestört wird, die auf die Fechter schimpft? Sind hinter den von dem alten Dumas angesetzten Masken wirklich die ergreifenden Gesichter von John, Paul, Ring und George verborgen? Wir dürfen uns nicht von einem kleinen Mädchen/d’Artagnan verwirren lassen. Die Seele eines Erwachsenen unterscheidet sich von jener kindlichen nicht, die beiden heften sich an ähnliche Ideale und erschrecken sich vor denselben Schrecken. Ob dem Kardinal ein robuster Gaskogner oder ein kleines Mädchen mit üblichen Träumen widersteht, ist letztendlich von keiner großen Bedeutung. Der Widerstand gegen "Kardinale" des Endes der sechziger Jahre verdient genauso bewundert zu sein, wie die Heldtaten der arglosen Flechter im Labyrinth der Hofintrigen. Die tschechische Umgebung der Normalisierungszeit, in die das Inszenierungsteam den Stoff setzte, bietet dank ihrer Substanz eine überraschende Alternative zu der klassischen Bearbeitung. Seine Arbeit irrt sich letztendlich nicht; mit reiner Theatersprache und mit einfachen Mitteln beweißt es, überraschende Ergebnisse zu erreichen, was im Stadttheater wirklich nicht gewöhnlich ist. Seine raffinierte Arbeit mit Dekorationen ist beispielhaft in jenem Moment zu sehen, wann sich Konstanze Bonacieux (Eva Jedličková) zusammen mit d’Artagnan (Michal Isteník) hinter einem Vorhang versteckt, den eine Frau vom Laubenganghaus vorher über das Geländer hängte. Ähnliche, feine und wirklich angenehme Details erschienen mehrere in der Inszenierung.
Es handelt sich von weitem nicht um historisierende Szene, ihr Charakter ist in vertikaler Teilung neutral. Die Anwesendheit der historischen Kostüme im Dschungel der beginnenden Normalisierung wirkt am Anfang ein bisschen überraschend, sondern sicher nicht ungeeignet. Anfangs ist dieses Wechseln ein wenig verwirrend; sobald sich aber die Linie der Geschichte stabilisiert, orientiert sich der Zuschauer schon.
Während der ganzen Vorstellung werden die Änderungen aus Blackout durchgeführt, immer mit unverwechselbarer Spülung begleitet, nur durch den Wesel der Requisiten. Das Laubenganghaus ist der Schauplatz des romantischen Abenteuers von drei mit ihrem Charakter unterschiedlichen Freunden sowie der zweiten Linie der Geschichte, die eine Reminiszenz an die Kindheit der Autorin ist. Drei Türen im Stockwerk des Laubengangs stehen nicht still; sie stellen Eingänge in Wohnungen der Mieter, ein anders Mal dann in Gästezimmer in einem Einkehrhaus im Frankreich des 17. Jahrhunderts dar. Der Hof ist mit notwendigen Proprietäten - Mülleimer, Wäsche oder altes Fahrrad - ausgestattet.
Der Abend ist mit blauer Beleuchtung angezeigt; wobei ist es geeignet zu bemerken, dass dieses fast die einzige dramatische Ausnutzung der Beleuchtung ist. Die Requisiten, die das Laubganghaus evozieren, sind von den Helden des Hauptsujets nur einmal verwenden (natürlich fallen sie auch den Müllmännern in die Hände), und zwar nur im Fall, wenn sich d’Artagnan vor der Herzogin hinter den Mülleimern versteckt. Es handelt sich um eine besondere Durchdringung von zwei Welten; als ob d’Artagnan eine andere Geschichte für seine Flucht verwenden würde. Eine ähnliche Metapher war der Eintritt der Müllmänner mit der Entdeckung des Geheimnisses der Herzogin; Abfälle sind immer Abfälle, sie müssen immer weg.
Es schein, dass die Sonne, die jemals eine angenehme Nervosität in die Ader des Gasckogners eingoss, ihre strahlen auch in die Gegend von Michal Isteník fallen ließ. Auch wenn seine Domäne keine gespannten Szenen voll von Wut und aufgeregter Geschrei waren, was ehr von momentaner und übergehender Unfähigkeit verursachen sein konnte, verlieh er mit seinen Bewegungsauftritten seinem Landmann eine lebendige Vitalität. In einer Szene erinnern seine Bewegungen an die notorisch bekannten Übungen der Spartakiade, sein Bewegungstalent jauchzt mit provozierender Unmittelbarkeit eines Kindes bei den Szenen mit Pferden, die auf dem Weg der Musketiere nach London nicht fehlen konnten; doch auf der Bühne würden sie sich ein bisschen drängen, so wurden sie ganz ernst und erfolgreich gespielt.
Planchet (Jan Mazák) ist ein ein bisschen mutierender, schlauer Diener und mit seiner Handlung und Aussehen erinnert er ehr an den klassischen, treuen Diener Igor (zum Beispiel Doktor Finklestein in The Nightmare Before Christmas von Burton disponierte mit einem Diener dieses Namens und andere Beispiele sind nicht lange zu suchen; zum Beispiel Making money von Terry Pratchet oder Garfield von Jim Davis). Planchet ist ein schmeichlerischer und eingequetschter Opportunist, dessen Horizont auf die Befriedigung seiner grundlegenden menschlichen Bedürfnisse begrenzt ist.
Der traurige Held gebrochenen Herzens und unlöschbarer Durst Athos (Igor Ondříček) entdeckt die Psyche eines mit Liebe verletzen und traurig sorgenfreien Menschen. Die melancholisch klingende carpe diem verschwindet aus seinem Ausdruck nur in außerordentlichen Fällen; einer von diesen war zum Beispiel die Entdeckung der wahren Identität von Milady de Winter.
Der biedere Prahler Porthos (Petr Štěpán) erinnert an Obelix von Gérard Depardieu, in hellen Momenten blickt doch seine reinere Intelligenz und Schelmenvernunft. Ruhiger Berg von Fleisch und Fett, der sich nicht aus dem Konzept bringen lässt und wegen ein Stück guten Essens imstande ist, Leben aufsetzen; so ist Porthos, Prothos der Überlegung und Hühner.
Sein Abenteuergenosse, diskreter Aramis (Jaroslav Matějka), dessen Lieben, Wunden und Rissen sich hinter dem religiösen Enthusiasmus verbergen, melancholischer Aramis, dessen Temperament sich unter dem Gewicht der Kleidung eines Klerikers sehr erschlagen fühlen muss, bringt ein wenig Philosophierung in die Handlung, aus der in Abschlüssen die Anzeichen der Volkstümlichkeit erblicken und wir erkennen die Gespräche über einem Bierglas....
Das wundervolle Idol der Träume von d’Artagnan, aufblühende Knospe im Fäulnisgarten ihres einfältigen Gefährten in der Institution Ehe (Zdeněk Bureš), Konstanze Bonacieux (Eva Jedličková) bleibt eine liebliche und arme Gestalt der Geschichte. Ergreifende Naivität, die ihr junges Herz direkt in die Schlinge des vorbereiteten Henkers vertreibt, steht im nervösen Kontrast mit der Kaltblütigkeit und Berechnung der jungen Milady de Winter (Pavla Vitázková). Oder vielleicht von Charlotte Backson, Anna de Bueil, Gräfin de la Fére, Milady Clarick? Diese alle sind ganz sicher Damen mit verbogenem Charakter, die an die Romane von Sue erinnern (wahrscheinlich verdanken sie ihnen auch viel); in den Händen von Pavla Vitázková gehen sie einen komplizierten Weg voll von Emotionen durch. Der Alp, der sich in ihr verbirgt und in der Agonie vor der Hinrichtung schreit, die mit einem Axthieb Probleme von vielen beenden soll, weiß sich mit der Maske des Lachens und mit Mädchenliebenswürdigkeit geschickt zu maskieren. Wie ein ganz anderer Typ der Lilie präsentiert sich Frau Drahorádová (Irena Konvalinová); unbeschriebene Seite mit angenehmer ziviler Schauspielkunst ergänzt, obwohl in den Diensten der Persiflage der Umgebung der siebziger Jahre. Herzog von Buckingham (Dušan Vitázek) scheint mit seiner seltsamer "einschmeichelnder" Fähigkeit und nicht selbstbewussten Gesten aus dem Rahmen eines stolzen Adeligen auszufallen.
Viktor Skála oszillierte zwischen dem König, Henker von Lille und Vater; in jeder Rolle ist er sich mit sich selbst sicher.
Die Handlung wird von der Stimme (Ladislav Lakomý) richtig gestellt, die manchmal die Änderung des Genres aus dem Abenteuerdrama in eine Dokumentarinszenierung über die Geschichte eines Westeuropas erinnert.
Die historisierenden Kostüme von Samiha Maleh mit ihrer farbigen Ausgewogenheit und mit harmonischer Komposition können zu der venezianischen Malerschule von Veronese oder Crivelli verglichen sein. Vor allem die Kostüme des Königs und der Königin zeigen die Zeichen der präzisen abgeleiteten Arbeit.
Ein eigenartiges Kapitel der Vorstellung ist die Musik. Zusammen mit den Liedern von Beatles ist hier auch La Marseillaise zu hören, die in die Geschichte des 17. Jahrhunderts auf das erste "Hören" irgendwie nicht passt. La Marseillaise wurde 1792 vom Genieoffizier Rouget de l’Isle komponiert, am 14. Juli 1795 wurde sie zur französischen Nationalhymne erklärt und es blieb so mit Pausen im dritten Kaiserreich und während der Regierung aus Vichy, bis zu den heutigen Tagen. Doch hinsichtlich zu dem Kontext der XXX. Szene, in der die Musketiere die Bastei Hl. Gervaise bei La Rochele hielten, ist ihre Wahl nur gewaltlose Unterstreichung der Situation. Auf einem ähnlichen Prinzip funktionierten selten auch die Lieder von Beatles; La Marseillaise hat doch ganz andere Tendenzen als die Lieder der "Käfer". Ihre Verwendung in der Situation, die über die zum Sieg führende Kraft zeugt, inkliniert gerade zu seiner automatischen Vorstellung. Die Lieder von Beatles ergänzen und untermalen, La Marseillaise trägt eine eindeutige Information, sie ist die Hymne der Freiheit. Ihre Rolle in der Inszenierung ist also ganz anders. Die tschechische Paraphrase der "Käfer" weist den Zuschauer schon am Anfang hin, dass er zu Zeuge von etwas Untraditionelles wird. Die Musiklinie scheint meisterhaft ausgewogen zu sein; in jede Szene passte die Musik ausgezeichnet (am deutlichsten in der mit dem Lied Come Together begleiteten Szene), die Fans der vier Musikanten aus Liverpool mussten außer sich sein.
Alexandre Dumas, dessen sterbliche Überreste vor kurzem in den Pariser Pantheon übergeführt wurden, dieser geheimnisvolle Mystifikator, Autor seiner eigenen Aureole, könnte an die Brünner Bearbeitung seines Werks (und von Maquet) zu Recht stolz sein. Er lässt in ihm den bewaffneten Gaskogner in unbekannte Gegend mit einer einzigen Phrase „God Damned!“ zu gehen, er gibt seine Helder den Gefahren der Duelle, sondern auch der Faulheit (der sich Prothos-Halsstück mit Freude entledigt) aus, er lässt die Besiegten zu siegen und die Sieger zu verlieren. Die groteske Komik, die in die geschmackvolle Situationskomik kontinuierlich übergeht, kann dank der hochwertigen Übersetzung im vollen Umfang geschätzt sein.
Das Theater voll von den Leidenschaften und scharfen Wenden musste den Zuschauer aus der Hypnose der Alltage ausreißen.
Der kleine d’Artagnan, Musketier im Rock, verlässt Welt seiner Kindheit, sondern nicht die Welt der Phantasie und des Trotzes. Seine Gefährten im Kampf verließen ihn zwar feige ("Beatles gingen auseinander"), er bleibt doch hier mit derselben Lust zum Leben, mit der er um es, mit ihnen an seiner Seite, früher kämpfte.
With a little help from my friends Athos, Porthos and Aramis
Jitka Šotkovská 1. Februar 2009 zdroj Welt und Theater Nr. 2
Die Zuschauer in Brno gewöhnten sich schon daran, dass die Inszenierungen von Hana Burešová im Stadttheater Brno meistens dramaturgisch exklusive Titel sind, die auf den tschechischen Bühnen nur einige Male erschienen oder sogar zum ersten Mal aufgeführt werden. Ebenso handelt es sich meistens um Texte mit schwierigerem Charakter. Die Tatsache, dass sie zum letzten Mal das "Kassenstück", die auf den tschechischen Szenen schon vielmals bearbeiteten Drei Musketiere von Dumas wählte, erweckt dann große Überraschung. Eine noch größere Überraschung ist für den Zuschauer, wenn er nach dem Eingang in den Saal ein ungepflegtes Laubenganghaus sieht und aus den Aufschriften an der Wand wie Dubček! Kubišová! Kryl! begreift, dass die Handlung auf der Szene an das Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts situiert ist. Wie ich schon in meinem Artikel über älteren Brünner Inszenierungen der Regisseurin geschrieben hatte und wie immer die Programmbroschüren des Theaters wiederholen, Hana Burešová versucht meistens, den Geist der Zeit sowie den Styl der Vorlage streng zu respektieren. Plötzlich entscheidet sie sich doch, die idealisierte romantische Welt von Dumas in die Kulissen eines bespuckten, bis zu den kleinsten realistischen Details gestalteten Hauses, wie z.B. zerschlagene, mit Klebeband verklebte Fensterscheibe oder Aufschriften an den Wänden der Kneipe wie "Indro, du bist ein Ochs Indrová.“ zu versetzen. Noch bevor es im Zuschauerraum dunkel wird, klopft ein Hausbewohner im Hof Teppich und aus der Kneipe am Erdgeschoss ist ein lautes Gespräch zu hören. Plötzlich ist aus ihr d’Artagnan in reichem historischem Kostüm weggeworfen, von den ebenso gekleideten Rochefort und Milady begleitet. Und aus der bespuckten Kneipe der vierten Klasse wird plötzlich der Einkehrgasthof in Meung. Der ganze Auftritt wird von einem kleinen, im Stile der sechziger Jahre gekleideten Mädchen beobachtet, die offensichtlich aus der Schule zu Hause kam.
Dann stellen wir fest, dass gerade das Mädchen, das mit seinen Freundinnen die Gestalten von Dumas spielt, die logische Überbrückung von diesen zwei Epochen ermöglicht - die ganze Geschichte wird mit seinen Augen gesehen, die natürlich die bewunderten Musketiere in die vertraulich bekannten alltäglichen Kulissen versetzen (dann bleibt doch die Frage, warum Ladislav Lakomý in einigen Momenten die Handlung aus der Aufnahme kommentiert, wenn die wirkliche Erzählerin jenes kleines Mädchen ist). Und schrittweise begreifen wir auch, dass es Hana Burešová durch die Ausbildung des Lebensrahmens auf einem Prager Laubenganghaus am Ende der sechziger Jahre paradoxvoll gelang, den Schlüssel dazu zu entdecken, an Dumas trau zu bleiben und dabei sich nicht nur mit dem traditionellen Großformatspektakel, das oft zur Sentimentalität oder zum Kitsch notwendig gleitet, begnügen zu müssen. Die Regisseurin zusammen mit dem Dramaturgen Štěpán Otčenášek haben auch nicht vor, Die drei Musketiere in Parodie oder Travestie zu bestreiten. Es geht aber nur schwierig, Dumas irgendwie "künstlerischer" zu machen, es ist nichts in ihm, was vertieft sein kann, und wenn wir ihm seine Einfachheit und Geradlinigkeit nehmen, bleibt nur blutwenig aus ihm.
Trotzdem hat der Roman etwas, was wahrscheinlich immer neue Leser und Inszenatoren locken wird. Den Namen für diese "etwas" können wir uns aus dem Artikel von Patrik Ouředník über den verwandten Text, Rostands Cyrano von Bergerac, ausleihen. Das, was für den tschechischen Charakter auf dem Text von Dumas immer anziehend ist, ist sein "Panache" -Federbusch. Also die Fähigkeit der Gastalten, den Format um jeden Preis zu halten, vor großen Gesten und Pathos keine Angst zu haben, das Leben zu genießen, und zwar mit bis arroganter Sorglosigkeit und vor allem mit heroischer Freude zu essen, trinken, lieben sowie kämpfen. Und auch verschwenderisch das Leben zum Beispiel bei der Jagd nach den Demantenanhängern hinzugeben, um etwas so Niedriges und Unwürdiges wie Untreue, obwohl Königsuntreue, zu vertuschen. "Jetzt komme ich sicher nicht mehr davon. Aber wenn ich getötet sein soll, werde ich mindestens durch Musketierhand fallen", sagt d’Artagnan dem Mädchen am Ende der dritten Szene, wann es ihm kurz nach seiner Ankunft nach Paris gelang, in kurzen Abständen alle drei Musketiere zu beleidigen. Gerade wegen jenem "Panache" konnte die Inszenierung die für die Handlung entbehrliche Szene nicht auslassen, in der die Musketiere bei der Belagerung von La Rochelle wetten, dass sie auf der Feindesbastei Hl. Gervaise frühstücken werden, um sich dort beraten zu können.
In der tschechischen Umgebung hat aber jenes "Panache" oft den Beigeschmack der Windmacherei und des unfruchtbaren Protzentums. Wie kann es auf unseren Bühnen, die das Pathos widerhaarig ausweichen, erst genommen sein? Auf den Bühnen, wo es ganz einfach nur peinlich ausklingen kann? Ist die Bewunderung des herrlichen Plakatheldentums nicht etwa kindisch? Oder mindestens naiv?
Vielleicht deswegen scheint die nach Heldentum sehende Kindansicht für die Vermittlung des Geistes des Textes von Dumas ideal zu sein. Die Zuneigung zu dem Roman gibt die Chance, der erschlagenden Plattheit des Lebens mit unangenehmer Hausmeisterin hinter Rücken und mit dem für den ganzen Laubengang gemeinsamen Klosett zu entweichen. Der Plattheit des Lebens zwischen dem Werbezentrum und der Kneipe, wo der Nachbar Zdeněk immer seinen Fichtel repariert. Und noch mehr, wenn es sich um die Ansicht eines Kindes handelt, das etwas aus den Hoffnungen und aus dem Heldentum des Prager Frühlings erfasste und das sich in seiner Ohnmächtigkeit mit dem ankommenden Normalisierungsgrau versöhnen muss und dem nichts anders bleibt als zu beobachten, wie die Aufschrift Freiheit! sowie die Namen der Zeithelden aus der Hofwand langsam verschwinden.
Die Verbindungslinie zwischen den sechziger Jahren und der Geschichte der "drei" Musketiere ist noch im Musikbestandteil verstärkt, der ganz von den Liedern von Beatles dargestellt ist. Wenn wir alle sich geradlinig anbietenden Assoziationen beiseite lassen (dass Beatles sowie die Musketiere vier waren, dass sie in ihrer Zeit vergötterte Helden waren, dass sie ähnliche Werte der Freundschaft, Zusammenhaftkraft und des Idealismus repräsentierten und dass sie schließlich wie die Musketiere auseinander gingen), sind Beatles mit dem Text von Dumas vor allem durch sorglose, optimistische und temperamentvolle Atmosphäre ihrer Musik verbunden, die ein andermal nostalgisch und leichtsentimental zu sein weiß. Die Situation, in der d’Artagnan zu den Musketieren kommt, um an ihrer Seite gegen die Männer des Kardinals im Rhythmus von Twist And Shout zu kämpfen, und in der sich die Flechtnummer in eine Tanzchoreographie plötzlich ändert, hat dann eine durchaus organische Wirkung.
Auch wenn die Verbindung von zwei heterogenen Ebenen - Kindheit des Mädchens und Geschichte der Musketiere - ihren rationalen Sinn hat,, weisen sie mit keinen komplizierten intellektuellen Bindungen und Schlüssen aneinander hin; die sechziger Jahren stellen nur den Rahmen der Erzählung dar und vor allem durch lyrische Impression helfen sie, die Atmosphäre auszubilden. Die ständige, kontinuierliche Überblendung von den beiden kontrastvollen Ebenen dient dann auch zu humorvoller Veräußerung und ironisiert sehr leicht die geradlinige Abenteuerlichkeit des Textes. Eine ähnliche Funktion haben auch die englischen Liedertexte. Als die Soldaten des Kardinals zum ersten Mal auf der Bühne auftauchen, ertönt Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band. Wenn eifersüchtiger d’Artagnan Konstanz überwacht und entdeckt, dass diese nur Lord Buckingham zur Königin begleitet, fordert Buckingham d’Artagnan auf, sie zu begleiten und eventuell jemanden zu töten, wer sie verfolgen würde. Da ertönt Come Together, aus der Kneipe unter dem Laubengang taumelt ein "realer" Betrunkene um auf dem Hof zu pissen und d’Artagnan fordert ihn auf, sich zu drehen, damit er ihn nicht in den Rücken töten soll. Der "getötete" Betrunkene steht doch unmittelbar darauf auf, erstaunt nur über seine Ungeschicktheit, weil er sich die Hose benässte, und kehrt in die Kneipe zurück.
Ähnliche Veräußerung erfolgt auch durch die szenographische Lösung (David Marek); sämtliche Ereignisse gehen auf dem Hof oder auf den anliegenden Laubengängen vor, so dass das Schlossgemach, wo Buckingham seine Liebe der Königin Anna erklärt, nur mit einem verblichenen Perserteppich, vergessenem Herr Drahorád auf dem Teppichklopfer, ausgestatten ist. Genauso im englischen Sitz von Buckingham ist das Porträt der geliebten Anna hinter der Tür des Werbezentrum versteckt, das gerade die Sammlung zugunsten Biafra organisiert. Mit der Szene stehen dann die reichen historischen Kostüme von Samiha Maleh im Kontrast, die ebenso wie die Regieauffassung von einigen Situationen auf die klassischen Bücherillustrationen des Romans von Maurice Leloire hinweisen. Die Verbindung von den beiden Ebenen dient vor allem der Komik, gleichzeitig weist sie ständig auf die Parallelen zwischen der Atmosphäre des Romans und den Ereignissen im Leben des Mädchens hin. Die sieghafte Krönung der Episode mit den Anhängern, wann die Königin den Kardinal Richelieu bei dem Ball elegant erniedrigt, wird vom Mädchen gerade in dem Moment vergegenwärtigt, wann die Tschechoslowakei das Russland im Jahre 1969 im Eishockey schlug. Auf Hof läuft also der Königsball vor, während auf den Laubengängen die begeisterten Nachbarn mit den Aufschreien "Sie gaben uns Panzer, wir ihnen dann Tore!", usw. herumlaufen.
Obwohl die meisten Bearbeitungen "Der drei Musketiere" von Dumas gerade mit der Zurückgabe der Demantenanhänger der Königin gipfeln, im Stadttheater Brno wird mit diesem Auftritt nur die erste Hälfte der Inszenierung beendet. Burešová mit Otčenášek entschieden sich, beide Teile der Musketiere zu bearbeiten, und die ganze Geschichte wird also durch Hinrichtung von Milady und Erteilung des Dekrets des Musketierleutnants an d’Artagnan gekrönt. Die Dramaturgen bauen die Geschichte mehr episch als dramatisch und widmen sich auch den häufigen Handlungsabbiegungen, die ehr für die Darstellung der Atmosphäre als für die Verwicklung selbst wichtig sind. Es ist z.B. für die schon erwähnte Szene mit dem Frühstück auf der Bastei Hl. Gervaise oder für die Glaubendisputation zwischen Aramis und den Vertreter der Kirche gültig.
Vor allem dank dem Darsteller der Hauptgestalt von d’Artagnan Michal Isteník bemerkt der Zuschauer gar nicht, dass die Inszenierung dreieinhalb Stunde dauert. Was den Typ betrifft, entspricht Isteník mit seiner untersetzten Gestalt der Vorstellung über einen heldenmütigen jungen Mann nicht. Er steht einem üblichen Gaskonger Bauer viel mehr näher. Dieser Landbewohner mit dem Kindertraum, ein Königsmusketier zu werden, komm nach Paris mit aufgerissenen Augen und kein Wunder, dass es ihm dank seiner naiven Unbeholfenheit gelingt, gleich drei Musketiere zu beleidigen. Isteník wird zu einem natürlichen Motor der Inszenierung, weil er durch seine jugendliche Raschheit, mit leidenschaftlichem Mut und Entschiedenheit verbunden, mit der er für die Interesse seiner Geliebten und ihrer Frau kämpft, immer vorwärts getrieben ist. In Übereinstimmung mit der Regiekonzeption sowie mit der dramaturgischen Konzeption der Inszenierung ist dann d’Artagnan von Isteník für das Mädchen noch immer mehr ein Kindertraum über einen richtigen älteren Bruder als eine Liebesvorstellung einer Teenagerin.
Isteníks Gefühl für Tempo und Rhythmus verbinden sich mit der Fähigkeit, genau zu pointieren; seine gute technische Ausstattung hilft ihm, eine sehr farbige Leistung als d’Artagnan zu liefern. Die Gestalt entwickelt sich von dem jungen, verstörten Jungen über das jugendlich überschätzte Selbstbewusstsein des vom König ausgezeichneten Adeligen, der sich in effektvolle Posen stellt und sich über "übliche Pariser" erhebt, bis zu dem erwachsenen Mann, der durch den Verlust seiner Geliebte gebrandmarkt ist. Isteníks Sinn für Humor, mit dem er nicht fürchtet, seinen Farbendruckheld kontinuierlich bloßzustellen, stellt die Hauptdevise seiner Leistung dar.
Wenn wir Isteník als den Körper der Inszenierung bezeichnen können, ist dann ihr Geist Athos in der Darbietung von Igor Ondříček. Wie schon in einer ganzen Reihe der vorigen Inszenierungen, nicht nur in jenen von Hana Burešová, zeigt Ondříček, dass er Sinn für Pathos und große Gesten hat, als ob ihm die romantische Schauspielkunst des vorletzten Jahrhunderts sehr nah wäre. Sein schwungvolles Vernehmen mit tieferen Strömen der Trauer und Nostalgie, das mit der Fähigkeit verbunden ist, sich bis zum Boden seines Leids zu trinken, erinnert am meisten an jenes erwähntes "Panache".
Die beiden restlichen Musketiere sind dann sehr gelungene Genregestalten. Immer eleganter und ein wenig selbstgefälliger Aramis in der Darbietung von Jaroslav Matějka lässt sich von seiner Leidenschaft für Poesie und schöne Frauen nicht hinreißen; darüber hinaus Porthos in der Darbietung von Petr Štěpán oszilliert ständig zwischen verschlafener Langsamkeit, die durch seine Vorliebe für gutes Essen und Trinken verursacht ist, und entzündbarem Charakter.
Mit der heldenhaften Diktion von Dumas, aber auch mittels genau genormtes Abstands sind auch die Nebengestalten gebildet, sei es verwöhnter, nichtsnutziger König in der Darbietung von Viktor Skála, naseweiser Planchet von Jan Mazák oder verliebter Buckingham in der Darbietung von Dušan Vitázek, der imstande ist, sein männliches Plakatgebilde ständig zu ironisieren. Schade nur, dass sein Tschechische durch markanten slowakischen Akzent bezeichnet ist. Allgemein gesehen ist die Bühnensprache ein Problem der Darsteller der Nebenrollen, und zwar nicht nur bei den Schauspieler slowakischer Herkunft.
Dem männlichen Ensemble passen die gewählten Ausdrucksmittel offensichtlich besser als dem weiblichen Teil des Ensembles. Die Schauspielerinnen sind zweifellos anmutig, sie scheinen doch, den zweiten, ständig leicht veräußernden Plan nicht bearbeitet zu haben. Ihre Gestallten klingen dann oft etwa einseitig aus. Konstanz in der Darbietung von Eva Jedličková (die leider ihre schlecht gesetzte, unfeste Stimme ständig verrät) ist einfach nur ein nettes, braves Mädchen. Alena Antalová ist dann nur die elegante Königin, die versucht, der unehelichen Liebe nicht zu unterliegen und Milady in der Darbietung von Pavla Vitázková ist nur eine gefährliche Intrigantin. Einige gespannte Szenen, ohne leichte Übertreibung gespielt, können dann etwa krampfhaft bis lächerlich wirken, wie zum Beispiel Wutanfall, während den Milady dem d’Artagnan Stichwunden zufügen will, weil er ihre ausgebrannte Lilie entdeckte. Aus den weiblichen Gestalten ist kling dann am besten naive Ketty von Evelína Kachlířová aus.
Mit dem Pathos der großen Gesten steht dann die Zivillage der Darsteller der zweiten Handlungslinie im Kontrast, wo vor allem die unerträgliche Hausmeisterin in der Darbietung von Eva Jelínková und die anmutig fürsorgliche Frau Drahorádová von Irena Konvalinová dominieren. Gerade der Widerspruch zwischen den gewählten Ausdrucksmittel der beiden Ebenen bildet dann eine Reihe der lächerlichen Situationen aus - die zum Beispiel unterschiedliche Formen der Liebe betreffen, wann unten bei dem Teppichklopfer ein exaltiertes Liebesdialog zwischen Buckingham und der Königin vorläuft, der von dem rauchenden Nachbar Vondra, in Turnhose gekleidet, von oben beobachtet ist. Unmittelbar darauf ruft seine Ehefrau: "Vati, steh so erhitzt nicht dort, du wirst erkälten!"
Das ganze vorige Jahr entstanden auf den tschechischen Szenen die Inszenierungen, die aus der Jahreszahl mit der Acht am Ende profitierten und versuchten, unsere moderne Geschichte zu reflektieren. Die drei Musketiere im Stadttheater Brno sind vor allem ein gutes und kluges, unterhaltendes Theater; Möglichkeit, wie sich mit dem leicht problematischen klassischen Stoff künstlerisch auseinanderzusetzen. Sie könnten doch auch als eine sehr subjektive, lyrisierende Erinnerung an das Jahre 1968 und die ankommende Normalisierung gesehen werden. Wie die drei Musketiere und auch Beatles auseinander gingen, gelangen auch eine abenteuerliche Kindheit mit der Umziehung in Plattenhaus mit warmem Wasser und eigenem Klosett und zusammen mit ihr auch die Zeit voll von Idealismus zu ihrem Ende.
Im Westen (Prag) nichts Neues? Etwas aus Dumas...
Vladimír Lust 10. November 2008 zdroj Literarische Zeitung
Gleich das erste Erlebnis, das mir die Regisseurin Hana Burešová und der Dramaturg Štěpán Otčenášek im Stadttheater Brno bei ihrer Autorenvariation nach Den drei Musketieren von Dumas (man könnte Beatlesvariation sagen) vorbereiteten, gehörte dieses Jahr zu jenen stärksten. Nach Brno fuhr ich mit leichtem Misstrauen, weil es mir das ganze Halbjahrhundert lang noch nie geschieh - auch wenn es sich zum Beispiel im Theater in Celetná oder im Theater Ypsilon im Unterschied zu den monströsen Musicalkitschen um überdurchschnittliche Inszenierungen handelte - dass ich mir aus dem Theater oder Kino ein mit dem Lesererlebnis vergleichbares Erlebnis bringen würde. Es fehlte in ihnen immer etwas Wesentliches oder, immer öfter, etwas überblieb und wucherte parasitisch auf dem Stoff, bis es seine Poesie vernichtete. Desto angenehmer war ich in Brno durch zwei anscheinend gegensätzliche Sachen überrascht. Durch die ergreifend pietätvolle, bis ängstliche Treue zu der Vorlage, ihrer Geschichte, Grundsituationen sowie Dialogen mit leicht archaischem Wortschatz - „Athe, Porthe, Aramide“ - der Übersetzung von Růžena und Jaromír Pochovi, sowie durch die treue Bühnenzitierung der Illustrationen von Leloire, die ebenso unsterblich wie das Werk von Dumas sind. Gleichzeitig damit geht doch auch der Mut zu rasanter semantischer Verschiebung des Trivialen ins Imaginäre, Verschiebung des pietätvoll aufgefassten Stoffes in einen ganz neuen Inszenierungsrahmen. Dieser ist der untröstliche, plebejische Rahmen des realen Sozialismus, also die Kindheit der Regisseurin in einem abgebröckelten Miethaus in Žižkov mit einem Klosett auf dem gemeinsamen Flur, mit Teppichklopfstange auf dem Hof und unten mit einer Kneipe und Agitierungszentrum. Erst hier, in dieser wirklich antiromantischen, deprimierenden Umgebung wird der trivialer Musketierstoff zusammen mit der Musik von Beatles zu Poesie, um eine neue, ironische, dadaistische sowie lyrische Dimension bereichert, weil sie den heranwachsenden Mädchen zu einem sehr wirkungsvollen Kompensationsmythus dient. Und das Beste daran ist, dass es funktioniert, dass jene anscheinend ungleichartigen Ebenen - der Musketiermythus sowie Beatlesmythus und der reale Sozialismus - sich wunderbar verbinden, dass es dank ihrer Verbindung eine neue Bedeutung und ein neuer Witz (jenes versteckte "Spinnennetz der Beziehung") entstehen, wie se bei jeder großen Dichtermetapher gibt. D`Artagnan (Michal Isteník ist für mich eindeutig die Leistung sowie die Entdeckung des Jahres - von Anfang an spielt er ihn nicht als einen Held, sondern konsequent als einen Outsider) treibt wütend und mit einem Degen in der Hand seinen Mann aus Meung, doch im klaustrophobischen gemeinsamen Flur stoßt er auf einen real sozialistischen Mieter, der sich zu Toilette beeilet; der Triumph über den Gardisten des Kardinals und die fröhliche Rückkehr der vier Helder aus der Schlägerei kann durch nichts anders genauer ausgedrückt sein - natürlich in den Augen der Mädchen - als durch die Musik von Beatles; der verliebte Buckingham (Dušan Vitázek) verbirgt das Porträt seiner wunderschönen Madonna, Königin Anna von Österreich (Alena Antalová), im Agitierungszentrum; und endlich: nachdem d`Artagnan mit dem neuen Dekret des Leutnants der Musketiere seine drei Kollegen, die den Musketiermantel ablegen, vergeblich überredet hatte, kommentieren die Mädchen im Hof bestürzt das möglich schlimmsten Ende der Geschichte: "Es ist also das Ende. Beatles sind auseinandergegangen!" Und nach der Eishockeyeuphorie ("Sie hatten keine Panzer, so bekamen sie zwei Tore") kommt der definitive Katzenjammer des Sozialismus mit Gänsehaut. In der Inszenierung gibt es natürlich mehrere Bedeutungen, Verbindungen und Überhänge. Sowie die stillgemäß - auf der Kante zwischen Ernsthaftigkeit und Parodie - dargestellten schauspielerischen Leistungen (Athos von Igor Ondříček, Porthos von Petr Štěpán, Ludwig der XIII. / Henker von Lille / Vati in der Darbietung von Viktor Skála, Planchet von Jan Mazák, Kardinal von Ladislav Kolář, Milady von Pavla Vitázková, Constance von Eva Jedličková und andere). Wenn Aramis in der Darbietung von Matějka bei den Reprisen mehr Mut zu Übertreibung und lieb parodistischem Ansehen seiner Gestalt von seinen Kollegen ausleihen wird, wird die Inszenierung keine einzige schwache Stelle haben. Es gilt doch - jeder Interpret muss etwas von Dumas in sich tragen (wie auch der große romantische Erzähler etwas aus dem Komödianten in sich hatte): Mut, die Situationen oder Ereignisse nicht zu ernst zu nehmen, sich von ihnen nicht umstürzen zu lassen, sie mit Übertreibung, Phantasie und fast obligatorischer Ironie wahrzunehmen. Die Musketiere hetzen nämlich sich selbst sowie ihre Pferde zu Buckingham, um den drohenden Ehebruch zu vertuschen, aber auch um die Metapher zu retten (die Ehre der Königin muss gegen jemanden, gegen Nachrede sowie gegen Wahrheit verteidigt sein - siehe Betrug mit zwei zusätzlichen Kopien der Diamanten). Unterstrichen und zusammengerechnet: zum letzten Mal traf ich eine so tapfere Autorenverschiebung des klassischen Werks in neue Zusammenhänge vielleicht nur bei den legendären Inszenierungen von Alfréd Radok oder, wenn wir in Mähren bleiben werden, bei Hynštas Bearbeitungen von Brecht, Tschechow oder Dürrenmatt.
Mošas Stadttheater Brno kann Burešová und Otčenášek aus Prag beiziehen, aber es muss das nicht tun (und dass es das wie einen "Mehrwert" regelmäßig tut, dafür gehört ihm unser Dank, weil es damit die ganze tschechische Kultur bereichert).
Drei, drei, drei Musketiere
Peter Stoličný 28. Oktober 2008 zdroj www.divadlo.sk
Der Zuschauer muss sich zuerst an jenen Veräußerungseffekt gewöhnen. Er sieht zwei diametral unterschiedliche Ebenen: Geschichte der Musketiere und Alltagsleben in einem Laubganghaus (zu diesem gehört auch gemeinsame Toilette, Wäschehängen und andere kleine Handlungen, die viele komische Situationen ausbilden). Die ganze Inszenierung ist auf dieser Juxtaposition aufgebaut. Und warum nicht? Warum soll man die tausendmal gespielte Romantik wiederholen? Warum kann man zu ihr das ziemlich unromantische Leben in der Zeit der Jugend der Autoren dieser Dramatisierung nicht zumischen? Also das, was auf einem Prager Laubgang ein Mädchen sieht, das durch die Zeit, in der es lebt, wie auch durch die romantischen Heldtaten der Musketier, über die es liest, bezaubert ist? Der Übergang aus einer Welt in die andere ist doch gewaltlos und witzig. Die humorvolle Perspektive half sehr der Geschichte.
In der Inszenierung erschienen auch die für mich neuen Schauspieler. Ich gebe zu, Michal Isteník sah im Stadttheater Brno noch nie zu spielen. Sein d`Artagnan war ausgezeichnet sowie auch Aramis in der Darbietung von Jaroslav Matějka. Dass Igor Ondříček und Petr Štěpán ausgezeichnet zu spielen wissen, überraschte mich nicht. Schade nur, dass kein größerer Raum für Alena Antalová in der Rolle der Königin oder in der Rolle der Mutter gefunden wurde. Aber es ist so - die Musketiergeschichten sind mehr über männliche Taten; die Frauen treten in diesen nur deswegen auf, um die Männer zu diesen Taten zu provozieren.
Auf der Szene von David Marek und in den Kostümen von Samiha Maleh war alles durchgedacht funktionell, von allem war es genau genug. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Wunderschöner Kontrapunkt unserer Jahre zu der Zeit, über die Alexander Dumas der Ältere schrieb. Absichtlich schreibe ich nicht über die Jahre jener politischen Ereignisse, weil Alexander Dumas sich mit der Genauigkeit der Zeitrealien keine Sorgen machte. Zum Beispiel Anna von Österreich lebte mindestens um dreißig Jahre frührer als in der Geschichte von Dumas. Aber was schon vor geraumer Zeit geschieh, das ist nicht zur Genauigkeit, zur Authentizität so empfindlich. Darüber waren sich auch die Bühnenbuchautoren, Dramaturg Štěpán Otčenášek und Regisseurin Hana Burešová, bewusst. Die Romantik sowie die Faktographie der Musketiere ließen sie unberührt, darum mehr konzentrierten sie sich auf die Authentizität der Jahre der Jugend von Burešová. Das Ergebnis ist unerwartet gut. Witz, Humor, liebes Streicheln mit Romantik und unsterbliche Lieder von Beatles, das alles werden die Zuschauer in ihrer neusten Dramatisierung des berühmten historisch-abenteuerlichen Romans finden.
Die Prämiere Der drei Musketiere (13. 9. 2008) besuchte ich mit gewissen Zweifeln. Versuchen Sie sich es vorzustellen - Dumas und Beatles! Das Theater verließ ich doch in sehr angenehmer Stimmung. Die drei (oder vier) Musketiere haben mich ausgesprochen gut gelaunt. Und das ist die Berufung des Theaters. Und zwar ganz wesentliche.
Die drei Musketiere, jemals, gestern, heute
Zdeněk Hořínek 15. Oktober 2008 zdroj Theaterzeitung
Der Roman von Alexander Dumas Die drei Musketiere wurde schon mehrmals bearbeitet, für Theater sowie Film. Die Regisseurin Hana Burešová fand in dieser heute schon nicht mehr übersichtlichen Situation eine individuelle Note dadurch, dass sie eine unverhohlen persönliche Einstellung zu diesem bewährten Stoff wählte. Zusammen mit dem Dramaturgen Štěpán Otčenášek bereiteten sie neue Dramatisierung vor, in der sie das klassische Thema mit den Erlebnissen aus der Kindheit der Regisseurin, mit der Zeit kurz nach der sowjetischen Okkupation im Jahre 1968 verbanden. Das Grundprinzip der Inszenierung ist so die auf den Kontrasten und Parallelen basierende Konfrontation.
Die Handlung dieser romantischen Geschichte aus dem 17. Jahrhundert ist in ein moosiges Miethaus mit weitem Hof, mit Teppichklopfstange und Mülleimern versehen, und mit langem Laubengang (Bühnenbildner David Marek), wo die Mieter in grauer Zivilkleidung sowie die in bunten Kostümen gekleideten Musketiere (Bildnerin Samiha Maleh) verfehlen, wobei die letzt genannte durch die unvergesslichen Illustrationen von Maurice Leloire inspiriert sind. Die Geschichte von Dumas wird mit pietätvoller Treue verfolgt, doch verkürzt und beschleunigt. Ihre Welt wird nicht durch die Beschreibung, sondern durch Aktion evoziert. Die einzelnen Gestalten tragen sie in sich und mit sich in individuellen und kollektiven Plänkeleien, Streifen, grandiosen Trinkgelagen, politischen Intrigen sowie Liebesintrigen. Die moderne Handlung verläuft in unterbrochenen und zerstreuten Genremomenten, dessen Banalität und Niedrigkeit nicht einmal mit den kämpferischen nationalen Stichworten im Kontrast steht. Der Gesamteindruck dieser Konfrontation ist manchmal dramatisch (wenn der Triumph der Musketiere über dem Anschlag von Kardinal mit Anhänge der Königin parallel mit dem tschechischen Eishockeysieg über die sowjetische Mannschaft verläuft: Hurra! Sie uns Panzer, wir ihnen Tore!), manchmal komisch (wenn der fiktive d'Artagnan, der die Sicherheit des unglücklichen Geliebten Buckingham mit großem Eifer bewacht, einen pissenden "realen" Säufer versehentlich erstecht), doch immer bedeutungstragend.
Die Konfrontation verläuft auch im modernen Bereich, wo gegenüber den müden und bekümmerten Erwachsenen (einschließlich der aktivistischen Hausmeisterin Smetáková mit Besen, aus der die ausgezeichnete Eva Jelínková eine wachsame Analogie der historischen Intriganten machte) die naive Kindheit mit ihrer ewigen Sehnsucht nach Abendteuer und Romantik figuriert. Die Mädchen, die die Musketiere spielen, können doch die parallele Geschichte nicht entwickeln, ihre Domäne ist Empathie und Sympathie. Die Kinder als Schauspieler sind prächtig, geschickt in ihrer Bewegung, mit ungeschulten und nicht immer genug tragenden Stimmen. Die Kontrastfunktion erfüllen sie doch mit gehöriger rührender Kraft, die in den erwachsenen Augenzeugen eine gewisse Nostalgie weckt.
Aber zurück zur Geschichte von Dumas. Die drei Musketiere sind wie gewöhnlich vier und der Letzte ist verdienterweise der Erste. Der überraschend junge Michal Isteník hat alles, was wir von einem romantischen Held erwarten - Begeisterung, Leidenschaft, Mut und Entschiedenheit, bei der es nur ein kleiner Schritt vom Wort zum Schlag ist, aber auch Schusseiligkeit und Verdrehtheit, Quelle der unwillkürlichen Komik. Gerade die Naivität ist das Verbindungsglied zwischen dem historischen und doch fiktiven d'Artagnan und ihren Kinderbewunderinnen.
Der Anfänger besteht ausgezeichnet neben seinen erfahrenen Kollegen - neben dem hochgewachsenen Athos (Igor Ondříček) mit trübsinnigem skeptischem Lächeln im Gesicht (der doch bei aller seiner Zurückhaltung weißt, in einem Weinkeller auf den Putz zu hauen) und auch neben dem in seiner Eitelkeit ein bisschen doofen Prothos (Petr Štěpán), dessen bacchantischer Körper von seinen mehr agilen Kollegen immer provoziert sein muss. Aramis ist doch nicht zu viel plastisch. Zdeněk Hrbata charakterisiert ihn im Programmdruck wie einen "Genius von Umwandlungen und Schein" und bewertet ihn wie eine der meist gelungenen Gestalten von Dumas. Der jugendliche Jaroslav Matějka bekam oder fand genug Angelegenheiten dazu nicht, um ihre Kompliziertheit ausdrücken zu können. Die Musketiere haben eine gehörige Begleitung in der Gestalten ihrer Diener (von denen vor allem Planchet von d'Artagnan hervorragt, auf bewahrte Weise von Jan Mazák dargestellt) und auch den verständnisvollen Vorsteher, Herr de Tréville, dem in der Darbietung von Josef Jurásek die für die Musketiere charakteristische Fanfaronage weder heimtückischer Humor nicht fehlen. An der Seite ihrer Gegner fesselt die Aufmerksamkeit der Zuschauer, neben dem Kardinal Richelieu (Ladislav Kolář), Milady in der Darbietung von Pavla Vitázková, die im Schluss ihre schleimige Anmut vergisst und, in eine Falle gefangen, zu krampfhaftem Ausbruch ohnmächtiger Wut kommt.
Und noch eine, die letzte, Konfrontation. Die dramatische Handlung wird ausschließlich von der Musik von Beatles begleitet. An einer Seite erinnert sie an die Beatlemanie der sechziger Jahre, an anderer Seite korrespondiert sie überraschend dank ihrem Optimismus, ergreifender Sentimentalität und spontanem Temperament mit romantischer Stimmung der Geschichte, phrasiert suggestiv und rhythmisiert die individuelle sowie kollektive Handlung auf der Szene (auf deren Organisierung die Bewegungszusammenarbeit von Josef Jurásek einen großen Anteil hat).
Die Regie und Dramaturgie begnügte sich bei der Gastierung im Stadttheater Brno mit der konventionellen Evozierung und Illustrierung der berühmten Geschichte nicht, die bis heute ihre fesselnde Kraft und Ergötzlichkeit nicht verlor, sondern sie verlieh ihr die emotionelle Zeitbezogenheit dadurch, dass sie bewies, durch die Konfrontation von zwei Zeitebenen und Mentalitäten aus der Romantik der jugendlichen Träume und Sehnsüchte, aus der Verbindung der Verspieltheit, fröhlichen Vitalität und Humor eine ziemlich große Dose des positiven, in unserer Zeit wie ein Gegengift gegen zu viel Pragmatismus erforderlichen Idealismus zu gewinnen.
Stadttheater Brno - Alexandre Dumas: Die drei Musketiere. Dramatisierung Hana Burešová und Štěpán Otčenášek (mit Ausnutzung der Übersetzung von Růžena und Jaromír Pochovi). Regie Hana Burešová, Dramaturgie Štěpán Otčenášek, Szene David Marek, Kostüme Samiha Maleh, Bewegungszusammenarbeit Josef Jurásek, Musik Beatles. Prämiere am 13. September 2008.
Ein Laubengang in Smíchov sowie Beatles bekommen den Musketieren von Burešová gut
Lenka Suchá 13. Oktober 2008 zdroj Brněnský deník
D’Artagnan, Porthos, Aramis, Athos. Wer würde diese berühmten Helder aus Den drei Musketieren von Dumas nicht kennen. Die neuste Dramatisierung dieses historischen Abendteuerromans wurde für das Stadttheater Brno von der Regisseurin Hana Burešová als die erste Vorstellung der Saison vorbereitet.
Einige Zuschauer, die in den Zuschauerraum kommen, sich die romantische Geschichte über Ehre, Treue und Liebe zu genießen, kann doch schon am Anfang ein Schock erwarten. Auf der Bühne befinden sich anstelle der majestätischen Kulissen des französischen Königshofs die abgebröckelten Wände eines Laubenganghauses in Smíchov am Ende der sechziger Jahre auch mit seinen einzigartigen Bewohnern.
Unten laufen die Kinder und manchmal spielen zusammen die Gestalten aus dem Roman. Unter diesen ist auch ein klein Mädchen - die Erinnerung der Regisseurin an ihre eigene Kindheit. Gerade sie bringt ihre beliebte Helder nach Hause und sie vermittelt uns die Handlung durch ihre Optik.
Sehr bald zeigt sich doch, dass die vier Musketiere in historischen Kostümen mit den zivil gekleideten Menschen aus der Prager Peripherie problemlos funktionieren können. Die Szenen oben im Laubengang stören keineswegs die Kontinuität der Geschichte, im Gegenteil, sie füllen einfallsreich die Zeit währen des Umbaus der Szene aus.
Den Adeligen d'Artagnan (ausgezeichneter Michal Isteník) hält während eines tollen Haschens ein Mann in Schalfanzug auf, der auf das gemeinsame Klosett in der Nacht geht. Vom Porthos kann dann ein Großmütterchen den Blick nicht wenden, das zum Besuch ihrer Enkelkinder kommt. Und allen spielen dazu die unsterbliche Schlager von Beatles, Musikikone der sechziger Jahre. Help, I need somebody...
Die Liebhaber des klassischen Romans kommen doch nicht zu kurz. Sie bekommen spannende Schau, in der die Garde um den Kardinal Richelieu herum mit der Hilfe der rachsüchtigen Mylady de Winter die Intrigen spinnt und vergeblich versucht, den vier tapferen Musketieren matt zu setzen.
Es fehlen nicht einmal romantische Liebeserklärungen oder hinreißende Fechtduellen (durch die Schauspieler ausgezeichnet bewältigt).
Die Hauptdevise der Inszenierung von Burešová bleiben doch die Leichtigkeit und Verspieltheit, mit denen sie diesen historischen Roman in seinem ganzen Umfang auf die Bühne setzte. Darüber hinaus verband sie bravourös auch die zwei, auf den ersten Blick so abweichenden Welten: Epoche des siebzehnten Jahrhunderts und der jüngsten Gegenwart.
Die Musketiere im Stadttheater erinnern so vielen nicht nur an die Nostalgie nach der Epoche um das Jahr 1969, wann man im Eishockey mit Sowjeten gewann und in den Schlangen für Mandarinen stand. Sie erleben auch die längst vergangene Romanzeit, wann ein Wort des Mannes mehr als das Gesetz war und wenn man nicht für Treue und Ehre schämen musste. Das erst genannte wird nie zurückkehren, das letzt genannte starb vielleicht noch nicht aus.
Die Musketiere und Beatles auf dem Laubengang
David Drozd 3. Oktober 2008 zdroj Lidové noviny
Falls sie Die drei Musketiere in ihrer Buchform lieben, erschrecken sie sich nicht. Das, worüber wir reden werden, wurde auch von einer ihrer verbissenen Liebhaberin, Regisseurin Hana Burešová, zusammen mit dem Dramaturgen Štěpán Otčenášk - die heute schon zu den ständigen Gästen des Stadttheaters Brno gehören - geschafft.
Der erster Blick auf die Bühne kann sie erschrecken: wir sehen nämlich ein ziemlich realistisch gestalteter Hof eines alten Laubenganghauses. Dem aufmerksameren Zuschauer wird es gelingen, die Anschriften an der Wand zu identifizieren: „Dubček! Kubišová! Kryl!“ Was aber die sechziger Jahre mit dem Arciwerk von Dumas gemeinsam haben, das ist ein Rätsel. Alles wir doch bald klar. Das Laubenganghaus erlebt mit seinem täglichen Leben, einer Reihe von kleinen Mikrosituationen, in die die Schicksale von d'Artagnan eingeflochten werden, wie sie von einem zehnjährigen Mädchen gelesen werden, das sie logisch gerade auf den Hof situiert, wo sie mit seinen Freundinnen so viel Zeit verbracht. Und in diesen Plan gehören auch die im Titel erwähnten Beatles - wir fühlen nach und nach heraus, dass gerade die vier Musketiere aus Liverpool zu den weiteren Objekten des begeisterten Interesses gehören. Während der ersten Minuten wird der persönliche Schlüssel klar, den Burešová auswählte: darüber erzählen, wie sie selbst das Werk von Dumas irgendwann im Jahre 1969 im Laubengang las und dazu Beatles hörte. Der Rahmen ist keineswegs ostentativ, doch er ermöglicht der Regisseurin, klare Einstellung zu diesem populären Werk auszubilden - Bewunderung sowie feine Ironie auszudrücken, mit der wir zum Buch zurückkehren (wie sonst könnten unsere Helder im Rhythmus der Lieder von Beatles fechten, einschließlich zeitweiliger choreographischer Extempore).
Burešová beweißt, das altersgraues Laubenganghaus in jeden notwendigen Ort umzuwandeln und auch die Liebhaber von großen Schauen kommen auf seine Kosten: Kostüme wie es sich gehört, mit allen unabkömmlichen Perücken und Haarteilen, Glanz, Gefieder und Pomp. Und vielleicht sind sie desto schöner, weil es um diese herum immer die abgebröckelten Wände gibt.
Schöne Frauen, männliche Männer
Die Aufgabe, über die schauspielerischen Leistungen zu sprechen, stellt in diesem Fall für den Rezensenten eine unhöfliche Notwendigkeit dar, jemanden aus dem fast fünfzigköpfigen Ensembles zu verheimlichen - sagen wir mindestens, dass alle Frauen schön und alle Männer, einschließlich Schurken, entsprechend männlich sind. Mit Pathos und genau bewältigten heißen Leidenschaften der Geschichte von Dumas steht dann das Spielen in der Ebene des "realen" Geschehens auf dem bespuckten Hof im Kontrast.
Aus dem Kontrast der zwei Ebenen gewann Burešová viele bezaubernde Situationen: der Vati geht aus dem Keller mit Kohlen aus, während Athos in diesem Keller gerade barrikadiert wird, der einzige Hintergrund für die leidenschaftliche Erklärung von Buckingham ist der an der Klopfstange gehängte Perserteppich, in den noch vor einer Weile ein Nachbar wütend schlug. Ich will doch nicht mehr verraten, lassen sie sich überraschen.
Am Schluss ist doch alles so, wie es sein soll, vielleicht auch besser, weil wir schon auch lächeln können (wirklich unterhaltende sind die Verbindungen zwischen der Musik von Beatles und den einzelnen Romansituationen) und sich wieder einmal in der Geschichte über wirklichen Heldenmut in Träumerei versinken. Die drei Musketiere von Burešová und Otčenášek sind mehr als eine dramaturgische Wette auf die Sicherheit eines Buchhits - dagegen wehren sie sich widerhaarig (zum Beispiel, Burešová wählte eine älter Übersetzung, so dass sich die Herren Athe! Porte! und Aramide! titulieren).
Wir haben vor uns ein modernes, intelligentes und zugleich unterhaltendes Theater, was eine Kombination ist, die wir in der letzten Zeit nicht sehr oft treffen.
Die Musketiere tummeln sich in Smíchov
20. September 2008 zdroj MF Dnes
Ein Außenganghaus in Smíchov am Ende der sechziger Jahre und die geschmeidige Musik von Beatles - das sind visuelle und musikalische Kulissen der neuen Inszenierung Die drei Musketiere von Dumas. Im Stadttheater Brno wurde sie von der Regisseurin Hana Burešová einstudiert. Auf den ersten Blick kann diese bizarre Mischung des meist übersetzten französischen Buchs aller Zeiten mit der zeitlich sowie räumlich ungleichartigen Umgebung unverdaulich aussehen. Das Gegenteil ist doch wahr. Die erste Brünner Premiere der Saison ist eine witzige, leichte und hauptsächlich konsequente Verdolmetschung der legendären Vorlage. Und der nach der Romantik sehnende Zuschauer bekommt nicht nur einen Bonus. Burešová verband eigentlich zwei Retrospektiven. Sie ging von ihrer eigenen mädchenhaften Erfahrung mit diesem spannenden Roman aus. Der Regieschlüssel ist einfach, auch wenn nicht alle Zuschauer ihn sofort verstehen. Das tapfere Musketiertrio - genauer gesagt Quartett - fällt auf den abgebröckelten Hof wie die geweihten literarischen Helden eines Alltagsmädchens aus Prag ein. Das ungemütliche Haus und das Alltagsgewimmel in ihm bilden den Rahmen einer spannenden Geschichte aus dem 17. Jahrhundert. Burešová, im Tandem mit dem Dramaturgen Štěpán Otčenášek, adaptierte die Vorlage mit Treue. Sie versucht keine Bedeutungsverschiebungen zu machen, sie entlastete die Geschichte mit Ironie nicht. Mit der grauen tschechischen Realität am Ende der süßen "sechziger" Jahre steht hier die Herrlichkeit des höfischen Zeitengeschmacks witzig im Kontrast. Von der ungewöhnlichen Verbindung gehen auch weitere, nicht weniger erfrischende Parallelen aus. Die vier Freunde mit Degen gehen am Ende auseinander, wie auch die vier Musketiere der Musik, Beatles genannt. Auch die vier Mädchenmusketiere aus Smíchov gehen auseinander. Übrigens, viele Freundschaften und (insbesondere politische) Versprechen ging damals in die Rapuse..... Ein anderer Vorteil des Abends ist ausführliche und genaue Arbeit mit den Motiven, die in den beiden Zeitebenen anwesend sind. Die Regisseurin erinnert fein an solche Werte, wie menschliche Gemeinschaft, Solidarität, Freundschaft und Zusammenhangkraft. Und das ist sicher eine wertvolle Mitteilung in der Zeit, die meistens nach einer geistlosen Schau sehnt. Prächtig und köstlich ist auch der Humor, den die Regie aus den Berührungen der beinahe vier Jahrhunderte fernen Epochen ausgezeichnet gewinnt, zum Beispiel wenn ein unüberwindbares Hindernis in den Weg der flüchtigen Musketiere gestellt wird: ein Mieter, der sich zum Klosett mühsam schleppt.
Eine selbständige Kapitel sind die genauen schauspielerischen Leistungen (manchmal ins Zivil verdoppelt), eine Delikatesse sind dann die beinahe professionellen Fechterleistungen der Protagonisten. Die Inszenierung wurde nicht zu einem Betriebstitel und wortgetreuer Überschreibung der Klassik, die zur Volkskunst wurde. Gott sei dank, sie ist nicht einmal bloßes, prächtig angezogenes Spektakel, wie viele anderen Musicalvariationen über Musketiere. In Brno handelt es sich um eine angenehme, unterhaltende, witzige und manchmal auch ein bisschen nostalgische Ansicht der Doppelzeit, wann alle für einen und einer für alle waren.
Rezension für den Tschechischen Rundfunk Vltava
David Kroča 20. September 2008 zdroj Rezension für den Tschechischen Rundfunk
Die Regiearbeiten von Hana Burešová im Stadttheater Brno überraschen uns immer wieder damit, wie sie die Genrereinheit der Vorlage mit einer neuen Theaterform zu verbinden wissen. Es ist nicht nur für das Drama Paul I. von Merežkovski gültig, das den Alfréd-Radok-Preis vor kurzem gewann, oder für Die Andacht zum Kreuze von Calderón oder für die Einstudierung der Vor-Mozart Oper Der Steingast oder der Wüstling, sondern auch für ihre neueste Arbeit: originelle Dramatisierung des Romans von Dumas Die Drei Musketiere. Die Frage bezüglich dieser dramaturgischen Wahl liegt nahe: warum ist es nötig, diesem berühmten Roman eine neue Theaterform zu geben, wenn er schon mehrmals erfolgreich dramatisch bearbeitet sowie verfilmt wurde?
Die Antwort der Regisseurin Hana Burešová ist überraschend: ebendeshalb. Der Regie geht es darum, zu der umfangreichen originellen Vorlage zurückzukehren, die heute eigentlich vom niemandem gelesen wird, weil wir alle diese Geschichte aus Fernsehen oder Film kennen. Die Rückkehr zum Original ist doch diesmal keine Rückkehr zu einem archaischen Theater, ganz im Gegenteil. Die neue Dramatisierung verbindet mutig und manchmal auch auf schockierende Weise zwei Zeitebenen: die Geschichte der Einwohner eines Laubenganghauses in der Tschechoslowakei am Ende der sechziger Jahren und die Romanschicksale der Helden aus Frankreich des 17. Jahrhunderts. In der rahmenden Erzählung kehrt die Regisseurin absichtlich in die Zeit ihrer Kindheit zurück, doch auch in die Zeit, die die Idealen der menschlichen Zusammenhaltkraft oder die übliche Glaube an Ehre und Gerechtigkeit vielleicht für kurze Zeit erlebte. Gerade durch diese Ideale korrespondiert die Zeit vor dem Beginn der Normalisierung mit dem Geist des inszenierten Romans, sonst sind die beiden Code der Erzählung absichtlich gegeneinander gestellt.
Es ist vor allem in der bildnerischen Darstellung der Inszenierung zu sehen. Während die Musketiere und andere Romangestalten in historischen Kostümen auftreten, den die Bildnerin Samiha Maleh dieselbe Form, wie auf den alten Buchillustrationen, verlieh, bleibt die Szene von David Marek in den Kulissen des Endes der sechziger Jahre fest verankert. Deshalb ist es auf der Bühne eine Kneipe, ein Agitierungszentrum oder ein Laubengang mit gemeinsamen Toiletten und Wasserleitung, sowie auch die Mauer mit aktuellen Anschriften, die Dubček loben und den berühmten Ivan zu Natascha senden, zu sehen.
Der gewählte Inszenierungsschlüssel funktioniert in der ersten Hälfte der Inszenierung ganz perfekt, insbesondere wenn es schrittweise entdeckt wird, dass die Mädchengruppe aus dem Laubengang mit ihren literarischen Helden gedanklich mitklingt. Nach der Pause verliert doch die Inszenierung ihr Tempo, was vor allem dadurch gegeben ist, dass die Regisseurin wirklich konsequent daran besteht, dass alle für sie heiligen Repliken der Vorlage ertönen. Die zweieinhalb Stunden lange Inszenierung der Drei Musketiere ermüdet dann die Zuschauer ganz logisch, auch trotzdem dessen, dass die trefflich ausgewählten Hits der Gruppe Beatles an die Atmosphäre der dynamischen Jugendzeit erinnern.
Die Inszenierung verfügt über viele schauspielerische Leistungen, weil die umfangreiche Bearbeitung mehr als siebzig Gestalten enthält. Die Mitglieder des Ensembles stellen normalerweise zwei oder sogar drei Gestallten dar, was natürlich für die Darsteller der Hauptgestalten nicht gültig ist. Michal Isteník als d`Artagnan stellt seinen Gaskonger als einen energischen Jungen dar, der beginnt, sich nach den Mädchen umzusehen, und dessen Sehnsucht nach Erfolg größer als natürlicher Erhaltungstrieb ist. Wenn Athos von Igor Ondříček auf der Rätselhaftigkeit eines irgendwann wohlhabenden Adeligen und Aramis von Jaroslav Matějka auf der Zögerung zwischen dem weltlichen und geistigen Leben beruht, ist Porthos von Petr Štěpán ein gerader Kerl, dessen notwendiger Attribut ein Bäuchlein ist. Es ist nicht einmal Milady in der Darbietung von Pavla Vitázková zu vergessen, die ihrer Gestalt dieser unbelehrbaren Intrigantin einen gewissen Charme und Noblesse verlieh.
Die neue Dramatisierung der Drei Musketiere ist voll von Emotionen, die das nostalgische Umsehen nach der Zeit voll von romantischen Idealen ausruft. Die Bearbeitung dieses berühmten Romans verdient unsere Anerkennung, weil sie keine bekannte Wege folgt, sondern versucht, die Klassik mit der Anblick der originellen Metafern und unerwarteten Zusammenhängen zu sehen.
Die Musketiere in Brno verzückten das Publikum
Iveta Macková 6. Januar 2008 zdroj Kult - Oktober
Diesjährige Pilotprämiere des Stadttheaters Brno war die Theaterdramatisierung der Musketiere von Dumas, die in der Mitte des Septembers in der Regie von Hana Burešová aufgeführt wurde. Das von Burešová geleitete Inszenierungsteam studierte in diesem Theater nicht eine erfolgreiche Inszenierung ein, und diesmal ist es auch so.
Nur wenige Zuschauer wussten sich die angemeldete Inszenierungskonzeption der Musketiere als eine Erinnerung der Regisseurin an die Kindheit wie die Verbindung von Beatles und der Musketiere vorzustellen. Darüber, dass einige Schauspieler mehrere Rollen darstellen und sich aus den historischen Kostümen in die Zivilkleidung umziehen, ganz zu schwiegen. Darüber hinaus, die Zuschauererfahrungen mit der "modernisierten" Klassik (die in der Wirklichkeit eher über eine billige "Verbesserung" und eigene Regieexhibition zeugt) sind mehr als reich. Das Produkt von Hana Burešová beweißt doch das Gegenteil - die Regisseurin zusammen mit ihrem Ehemann Štěpán Otčenášek (beide Mitautoren der Dramatisierung mit der Ausnutzung der Übersetzung von J.R. Pochovi) ging zum Roman mit völliger Demütigkeit heran und verfolgte auch seine Chronologie.
Der Einfall, die Musketiere (der Roman von Dumas geht in den Jahren 1625 - 1628 vor) in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts (etwa in die Jahre 1969 - 1970) zu setzen, verleiht der Inszenierung neuen Atem sowie Charme. Der Rahmen der Szene (David Marek) ist der Blick in den Hof eines Laubenganghauses, vielleicht irgendwo in Prager Smíchov, wo die Regisseurin erwuchs, vielleicht in Staré Brno oder irgendwo ganz anders, aber das ist nicht wichtig. Die Regie nutzt das Laubenganghaus restlos aus - es dient den Musketieren sowie den siebziger Jahren. Man spielt in Hof, Keller, Laubgang... Jede Zeit hat ihren Zeitkostüm (Samiha Maleh), die Musketiere sowie die "Zivilmenschen" und manchmal ergänzt sich beide sehr witzig. Die Verbindung von mehr als drei Jahrhunderte belebt die Atmosphäre von beiden Epochen. Man kann sagen, dass die Zivilmenschen verleihen der originellen Klassik eine menschliche Dimension und bringen sie dem Zuschauer nahe und darin besteht die Kraft sowie der Zug der ganzen Inszenierung.
Und auch die Verwendung der Musik von Beatles in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts (und umgekehrt) war zweifellos eine sehr mutige doch ausgezeichnete Handlung. Auf der Szene fechten die Musketiere und über diesen sitzt im Laubengang ein Mädchen (Zivil), das sie bewundernd beobachtet, und dazu spielen und singen Beatles. Es scheint, Beatles zu den Musketieren zu gehören! Die Inszenierung kreuzt nichts, sie vergewaltigt nichts. Beide Epochen leben hier ihr eigenes, der Epoche entsprechendes Leben. Beatles sind hinreißend, die Musketiere bezaubernd, aber jeder auf seine eigene Weise. Nur in wenigen Sequenzen verbinden sie sich - wenn die Musketiere fechten (Bewegungszusammenarbeit Josef Jurásek und Tomáš Sagher) im Rhythmus von Beatles, so tanzen sie sogar manchmal.
Bei Den Musketieren unterhielt sich der Zuschauer wirklich, und zwar natürlich auch dank den bravourösen und wirklich hochentwickleten schauspielerischen Leistungen aller Darsteller, von d'Artagnan oder Aramis (Michal Isteník und Jaroslav Matějka, beide Anfänger), Porthos (Petr Štěpán), Athos (Igor Ondříček) und viele andere, einschließlich Kindern, mit Lucie Brázdová an der Spitze. Kurz gesagt, Die drei Musketiere in Straße Lidická verdienen besucht zu sein! Ihre drei Stunden lange Einstudierung hat den Schuljungen, der Jugend, den Familien mit oder ohne Kinder sowie der ältesten Generation etwas zu sagen.
Die drei Musketiere - Stadttheater Brno - Prämiere am 13. September 2008.