Franz – Musik, Benzin, Spannung
Luboš Mareček 21. März 2006 zdroj MF dnes
Der interessante Komponist und originelle Bildner Vladimír Franz ist der Öffentlichkeit meistens dank seiner Tätowierung bekannt. Der originelle Künstler hat doch andere Vorteile als eine Menge von Ornamenten, die sein ganzes Gesicht und Hände bedecken. Am Wochenende gewann Franz schon seinen vierten Prestigepreis, Alfred-Radok-Preis, für seine Bühnenmusik. Diesmal für die Musik zur Inszenierung Die Andacht zum Kreuze im Stadttheater Brno.
Der Barockthriller – wie das Drama in Versen Die Andacht zum Kreuze des berühmten spanischen Dramatikers Calderón in den Werbematerialen der Brünner Szene gennant wird - ist ein Muster des außerordentlichen Theaters. Die künstlerische Ansprüchigkeit bedeutet in diesem Fall keine Zuschauerunverdaulichkeit. „Dank dem professionellen Hinterland konnte ich die Musik in Brno liebkosen“, erinnert der gewürdigte Franz, der jetzt in der Inszenierung den Klang der Orgel mit den Madrigalen kombinierte. Die beunruhigenden, manchmal sogar mystischen Töne und Gesänge aus der Franz’s Werkstatt verliehen der Inszenierung Pathos und geistige Dimension.
Und wie knüpften Sie die Zusammenarbeit mit der Regisseurin Der Andacht zum Kreuze Hana Burešová an und was sie für Sie bedeutet?
Es ist schon unsere dritte Zusammenarbeit. Burešová ist für mich ein Rolls-Royce der tschechischen Theaterregie, sie ist für mich Tiefe sowie Sicherheit. Dabei bleibt sie nichts der Zeit schuldig und sie braucht nicht, Bein hinter den Hals in irgendwelchen zwecklosen Regiegesten zu stecken. Ihre Regiearbeiten sind sehr gesund, was vielleicht mit ihrer Ursprung aus Choden zusammenhängt.
Sie komponieren die Musik für die Theater im ganzen Land. Ist Brno für Sie ein spezielles Halten?
Mein Urgroßvater stammte aus Brno. Darüber hinaus habe ich hier den Kontakt mit dem Chor Ars Brunensis Chorus angeknüpft, der sich zeigte, der beste Interpret meines Chorwerks im Inland zu sein. Der Direktor des Stadttheaters Stanislav Moša schuf für die Inszenatoren die mit dem westeuropäischen Theater vergleichbaren Bedingungen. Der Autor kann hier seine Musik liebkosen.
Radok-Preis für die Musik ist in Brno
Jan Šmikmátor 20. März 2006 zdroj Rovnost
Am Samstag wurden im Prager Theater Divadlo Na Vinohradech die Alfred-Radok-Theaterpreise erteilt. Brno gewann einen von diesen.
Ins Prager Theater Divadlo Na Vinohradech fuhr am achtzehnten Märzabend die Theaterhonoratioren aus der ganzen Republik zusammen. Die Kunstagentur Aura-Pont erteilte nämlich schon zum vierzehnten Mal die Prestigetheaterpreise – Alfred-Radok-Preise. In der Nomination waren fünf Vertreter aus Brno. Am Ende freuten sich die Brünner nur einmal – der Komponist Vladimír Franz gewann den Preis für seine Musik zur Inszenierung Die Andacht zum Kreuze im Stadttheater Brno.
„Über die Würdigung für Vladimír Franz freue ich mich sehr, er ist ausgezeichneter Komponist“ verbarg seine Freude der Direktor des Stadttheaters Stanislav Moša nicht. Zurzeit soll er mit Franz über eine weitere Zusammenarbeit handeln.
Die Andacht zum Kreuze war noch für die Inszenierung des Jahres und die Schauspielerin Helena Dvořáková für die beste Schauspielleistung nominiert. Der Direktor Moša bedauert die nicht verwerteten Nominationen nicht – von den Inszenierungen außerhalb Prag gewann das Stadttheater, nach der Inszenierung Akvabely aus dem Theater Klicperovo divadlo aus Hradec Králové, die meisten Nominationen.
Um Radok wird es auch in Brno gekämpft
Jan Šmikmátor 17. Februar 2006 zdroj Rovnost
Die Nominationen an die Alfred-Radok-Preise gingen für die Brünner Theater gut aus. Zwei Spiele, die in Brno entstanden, haben die Chance, den Alfred-Radok-Preis für die Inszenierung des Jahres zu gewinnen. Der Alfred-Radok-Fond machte die Nominationen an diese Prestigepreise gestern bekannt. Das Finalabend, das von der tschechischen Television übertragen wird, findet am 18. März im Theater Divadlo na Vinohradech statt.
Die Andacht zum Kreuze und Griechische Passionsspiele: diese zwei Spiele der Brünner Provenienz waren gestern an den Alfred-Radok-Preis nominiert. Das erste von diesen eröffnete im September die Saison im Stadttheater Brno, das zweite wurde Anfang des Jahres 2005 in der Janacek Oper des Nationaltheaters aufgeführt.
„Es ist ein gutes Gefühl, ich bin an meine Leute stolz“ verbarg seine Freude der Direktor des Stadttheaters Brno Stanislav Moša nicht, der verriet, dass das Theater mit der Regisseurin des erfolgreichen Spiels, Hana Burešová, eine andere Inszenierung vorbereitet. „Es wird die erste Uraufführung der nächsten Saison, Komödie Amphitryon von Heinrich von Kleist“ teilte Moša mit.
Die Andacht zum Kreuze ist ein Eisen im Radoks Feuer, sie gewann nämlich drei Nominationen. Neben der Inszenierung selbst noch Vladimír Franz für die Musik und Helena Dvořáková für die Darstellung von Julia.
„Es ist eine große Ehre für mich, dass meine Arbeit so geschätzt wurde“ sagte Dvořáková, Gewinnerin der Zuschauerumfrage Křídla des Stadttheaters Brno, bescheiden. Sie wagt nicht abzuschätzen, welche Chance sie hat, den Preis unter anderen Schauspielern zu gewinnen. „Jetzt habe ich begonnen, in Prag zu prüfen, so habe ich Möglichkeit zu sehen, was für eine Konkurrenz dorthin herrscht. So weiß ich überhaupt nicht, wie es ausgeht“, sagt Dvořáková.
Dem Stadttheater gehört noch eine Nomination – um den Preis für die beste Musik wird Miloš Štědroň mit seinem Musical Nana kämpfen. Auch mit ihm handelt Moša über weitere Zusammenarbeit.
Der Fernsehstab siedelte sich im Theater an
15. Februar 2006 zdroj Haló noviny
Mit der tschechischen Uraufführung des Spiels Die Andacht zum Kreuze, dessen Autor Calderón de la Barca ist, eröffnete am Anfang September voriges Jahres das Stadttheater Brno diese Theatersaison. Trotzdem das Spiel mit seiner philosophischen Orientierung zu den anspruchsvollen Inszenierungen gehört, fand es seine Zuschauer sehr früh: nicht nur in Brno, aber im Dezember auch wie Gast im Prager Theater Divadlo Na Vinohradech.
Die Regisseurin der Vorstellung Hana Burešová wurde in der Theaterzeitung gerade für die Arbeit an dieser Inszenierung wie die Persönlichkeit des Monats bezeichnet. Nach der Kritik bringt die Brünner Inszenierung gerade das, was dem tschechischen Theater fühlbar fehlt: „Leidenschaft, Pathos und geistliche Dimension“.
Im Drama, in dem weder mythische, christliche noch dämonische Elemente fehlen, spielt eine wichtige Rolle das Symbol des Kreuzes, das nicht nur wie das Kainszeichen ausgelegt werden kann, sondern gleichzeitig auch wie eine geheimnisvolle Zusage von Glück und Versöhnung. Unsteuerbare körperliche sowie geistliche Leidenschaft, Sucht nach der Gerechtigkeit, Heldauffassung der Ehre und Gerechtigkeit, dunkles Verbrechertum, blinder Hass, Suche nach Rache und allgegenwärtiger Entschluss vermischen sich im Spiel erfolgreich mit dem Clowntum und der wirklichen Volksauffassung der „großen Ideale“.
Das Drama, das mit seiner Struktur in der neuzeitlicher Bühneproduktion an die Inszenierungen von Daněk erinnern kann, ist voll von Antithesen, die Helden sind voll von Widersprüchen, die Geschichte wird von Leidenschaften, Lieben sowie Grausamkeit gesteuert. Es geht also – sagen wir es in gegenwärtiger Terminologie – um ein gewisser künstlerischer und überzeugender „Thriller“ mit starken moralischen Aspekten. Was die Handlung betrifft, ist er spannend: er enthält nämlich unerwartete Wendungen, Entdeckungen, Ermordungen, sogar Inzest - wenn es in ihm nur um eine spannende Handlung voll von Gewalt und um Aktionsdynamik ginge. Es ist doch gleichzeitig eine Geschichte über Irrgang der menschlichen Seele, über Suche nach Identität, welche auch die ewigen Themen des Verbrechens und der Strafe oder freier Wille öffnet. „Wer ist wirklich schuldig?“ – kann sich der Zuschauer beim Weggehen aus dem Theater fragen.
Die gelungene Übersetzung von Vladimír Mikeš entledigte sicht der Klippen zwischen feiner Diktion und Natürlichkeit der Dialoge perfekt, und diesem entspricht auch die ein bisschen mystische, doch real funktionsfähige Szene von Milan David, sowie die Kostüme von Hana Fischerová. Eine wichtige Rolle hat hier auch die Musik von Vladimír Franz.
Die Regisseurin Hana Burešová in der Zusammenarbeit mit dem Dramaturgen Štěpán Otčenášek wählte für die Hauptrollen Petr Štěpán, Helena Dvořáková, Ladislav Kolář und Igor Ondříček aus. Mit diesen nahmen an der Entwicklung der Handlung zum Beispiel Irena Konvalinová, Jan Mazák, Alan Novotný, Tomáš Sagher, Viktor Skála und andere teil. Das Stadttheater Brno führt die Inszenierung am 17. Februar auf. Bei den Vorstellung wird auch der Stab des Brünner Studios der Tschechischen Television sein, um an diesen kräftigen Anlass eine Filmgestalt zu geben.
Die Barockmystik weiß mit der Gegenwart mitzuklingen
Vít Závodský 23. Januar 2006 zdroj týdeník Rozhlas
Die Regisseurin Hana Burešová (vor zwei Jahren glänzte sie im Stadttheater Brno mit dem italienischen Don Juan) nachwies, dass sie die spezifischen Risse des spanischen „Goldenen Zeitalters“ detailliert versteht, was die spirituale und auch ästhetische Seite betrifft, und in der Zusammenarbeit mit dem Dramaturgen Štěpán Otčenášek weiß sie es auch an die atheistische Konsumgegenwart überzeugend nahe zu bringen. Mit demütigem Vertrauen zu der Vorlage bewältige sie auch ihre Felsenklippen – von manchmal ein bisschen halsbrecherischen, sondern von Autoren begründeten Sujetwendungen dieses „Thrillers“ voll von Leidenschaften, Verbrechen und Grausamkeiten, über mehrdeutige Symbolik des Kreuzes oder pathetische doch natürliche Interpretierung des oktosylabischen Verses bis zu der mystischen Schlussekstase der Ablösung. Der Bühnenbildner Milan David konkretisierte den Schauplatz mit der Kombination von schwarzen verschiebbaren Paneelen, verschiedenen Textilien sowie Lichtmodellierungen im Geiste der Zeitmalerei.
Die Kostüme und Dredfrisuren von Hana Fischerová öffneten im Drama die Konnotationen des Samurajehrenkodexeses; die Orgel- sowie Chorpartitur von Vladimír Franz erhob die Situationskulminationen sowie ihren transzendenten Übergriff. Die in allen Komponenten ausgewogene Einstudierung vermied die Gefahr der starren Deklamation sowie die Äußereffekte oder ungeeignete Aktualisierung. Die Aktionsauftritte mit Ritterzweikämpfen, Haschen, Räuberüberfälle sowie Schlusslynchen sind entsprechend stilisiert, was die Choreographie betrifft. Die kontrastreiche komische Linie von opportunen Dorfbewohnern mit Gil von Viktor Skála na der Spitze nimmt die Inspiration aus der Commedia dell’arte. Das Erlebnis des inneren Kampfes der Protagonisten – inzestes Geliebterpaar – stellen expressiv, doch suggestiv und ohne Krämpfe Petr Štěpán (Eusebio, der seine geheimnisvolle Herkunft entdeckt) und Helena Dvořáková (Julia, die mit fatalen Widersprüchen gequält wird) dar. Ähnlich kann man auch die Leistung von Ladislav Kolář in der Rolle des autoritativen Vaters und des Urhebers des Bösen Curcio und auch die Leistung von Igor Ondříček in der Doppelrolle von Lisardo und Priester Alberto charakterisieren.
Die ausgezeichnete erste tschechische Inszenierung der Calderons Parabel (es wurde auch den Zuschauern in Prag vorgestellt), die in der Umfrage der Theaterzeitung als die zweite beste Inszenierung des Jahres 2005 bezeichnet wurde, opponiert nicht nur den voreingenommenen Meinungen über den „Boulevardcharakter“ des Spielplans des Stadttheaters Brno, aber vor allem bietet sie an die denkerischen Zuschauern die Katharsis der Selbstforschung an.
Barockwunder im atheistischen Prag
Vladimír Just 13. Dezember 2005 zdroj Kulturní týdeník
Es gibt „die Werte“ im Theater, welche die Kulturrubriken beherrschen, Punkte in unterschiedlichen Untersuchungen gewinnen. Mit den Protagonisten werden online Interviews für unterschiedliche Portale, für farbige Gesellschaftsmagazine und Beilagen (Gesellschafts-, so lautet korrekte Umschreibung des Adjektivs „soft-boulevard“) gemacht. Mit unfehlbarem Gefühl gerade für diese Meteore springt dann in der Rubrik „Es ist in der Kultur geschieht“ im Tschechischen Fernsehen Otakar Svoboda oder ein von seinen Kollegen mit der „Kritik“ von einem Satz bei (hier werden bis zum absoluten semantischen Enteleerung die Wörter „interessant“ oder „angenehm“ dekliniert, als ob es vielleicht die einzigen, den Autoren bekannten Bewertungskriterien wären). So ist das betreffende Geschehnis notiert, bearbeitet und die Kulturindustrie geht weiterhin, bis sie dampft. Dann gibt es hier die weniger auffälligen Werte, über die man nicht spricht, weil sie für die Funktionäre des medialen Apparats keinen ausreichenden Grad der Zelebritätheit ausweisen. Es ist dann beinahe ein Wunder, wenn auch diese Werte, welche doch der Maß unseres Kulturstandes sind, imstande sind, ihr Publikum zu finden. Ein solches kleines Wunder – im Hinblick auf die praktisch nicht existierende vorige Propagierung – war für mich am Sonntag 11. Dezember Abend das beinahe vollbesetzte große Theater Vinohradské divadlo bei der Vorstellung des gastierenden Stadttheaters Brno, des Theaters voll von ausgezeichneten – leider in Prag nicht bekannten Schauspielern. Sie führten hier das Spiel von Calderón Die Andacht zum Kreuz aus dem Jahre 1636 auf (Regie Hana Burešová, Musik Vladimír Franz, Szene Milan David, Übersetzung Vladimír Mikeš, der auch der Autor von einzigartigen Essays über Calderón in der Programmbroschüre ist). Die Inszenierung habe ich schon auf ihrer Mutterszene im September gesehen, wann der Widerhall auf ihre Uraufführung mit der späteren weder gesalzen noch geschmalzten Rezension in der Zeitung Lidové noviny kontrastierte, deren Autorin offensichtlich nicht wusste, was sie mit Calderón und seiner christlichen Mystik tun soll. Deshalb habe ich ihren Widerhall im ein bisschen „mehr atheistischen“ Prag befürchtet, schon deswegen, dass mit der Übertragung in einen größeren Raum das intime poetische Drama mit nicht vielen Gestalten, welches zum großen Teil auf dem symbolischen Wert des Verses und seinem Rhythmus gebaut ist, vieles von seiner Magie verliert. Insbesondere wenn es auf einer beinahe minimalistischen, kirchenstrengen Szene vorgeht, welche mit dem einfachen, schwarzweißen Kontrast zwischen Licht und Dunkel arbeitet (weiße oder bläuliche Lichter, in denen die Schlüsselszenen gespielt werden, einschließlich „Himmelfahrt“ der Hauptheldin. Im Kontrast dazu der dunkle Kostüm des autoritativen Vaters Curcio, weiße Kostüme der Volksgestalten sowie der aristokratischen Gestalten, schwarze Kleidung und Silhouetten von Nonnen gegen dem weißen Hintergrund). Um so mehr wirkungsvoll treten schon vom Anfang an aus der strengen Szene die gestalterischen wirkungsvollen Einzelheiten (in der Vorbühne im Stil des Volkstheaters Attrappe des Esels, weißer und dann schicksalhaft weggestellter Leiter, der zur schwarzen Klostermauer beigestellt wurde, Stäbe der Dorfbewohner wie Symbol des Kreuzes und der Dornbüsche, mit der der erschlagene Held abgedeckt ist). Erstaunlicherweise traf keine von meinen Befürchtungen bezüglich Verlust der Zerbrechlichkeit im Theater Vinohrady auf: nicht nur, dass die Brünner Schauspieler gut den Raum mit „Wörter“ und „Gesten“ ausfüllten, ohne den Triebmotor des Spiels zu verlieren, was der unermüdliche Trochäus ist, aber bei einigen von ihnen wurde ihre Leistung seit der Uraufführung reifer. Es betrifft auch die Gestalten, deren Motivierung der unseren am meisten entfernt ist. So bewies Ladislav Kolář in der nicht einfachen Rolle des inquisitorisch autoritären Vaters Curcio, dessen demonstrative Bigotterie auch aus schlechtem Gewissen des jemals gallsüchtigen, mit Mord besessenen Eifersüchtigen quellt, dass das Unmögliche zur Wirklichkeit wurde: glaubwürdig spielte er auch die heute fast nicht spielbaren Stellen und Wendungen der Gestalten. (Zwei Beispiele: wenn der Vater, der den Mord seines Sohnes und die Schändung seiner Tochter rächen will, dem Schuldigen begegnet, fühlt er plötzlich Sympathie zu ihm – der Zuschauer weiß schon, dass es sich um seinen Sohn handelt, die Gestalt weiß es doch nicht und sie kann es nicht wissen; am Ende, schon nachdem Curcio das geheimnisvolle Symbol des Kreuzes erkannte, das, wie wir es wissen, im Kloster im letzten Moment Inzest zwischen den Geschwistern verhinderte, ist genauso irrational auch die Aversion des Vaters zu der büßenden Tochter Julia). Neben dem, was die Rede und Bewegung betrifft, ausgezeichneten Petr Štěpán in der zentralen Gestalt des Geliebtes und Rebellen Eusebio vom Kreuz, der gleichzeitig christlich barmherzig ist, wurde auch die größte Leistung des Abends reif, Julia in der Darbietung von Helena Dvořáková. Auch für sie musste es ein Problem sein, Stanislavski zu vergessen und in irrationellen Umwandlungen der liebenden aristokratischen Tochter in widrige Nonne und nachdem sie sexuell abgelehnt wurde in unbefriedigte, mordende Bestie und am Ende wieder in büßende Maria Magdalena Logik zu finden. Aber auch sie bewies es letztlich – mindestens für die im Zuschauerraum (gemäß dem Applaus am Ende waren es die meisten Zuschauer), die bereit sind, die antirealistische Logik des Barocktheaters des 17. Jahrhunderts anzunehmen. Diese ist nicht so viel von der absurden Logik des Antitheaters am Ende 20.Jahrhundert und am Anfang 21. Jahrhundert entfernt. Und zum dritten Mal – Viktor Skála überspielte seinen opportunistischen Gil (Repräsentant des „komödiellen“ Kontrapunktes des Spiels) nicht mehr so viel, er wägt die Tragikomik des kleinen Menschen mitten der großen Welt auf Millimeter genau ab, ohne sich anzubieten. Seine Gags brachten in die Tragik der Geschichte nicht nur die notwendige „leichte Zeit“, sondern auch aktuellen Übergriff in die Gegenwart. Während der durchschnittliche Zeitgenosse nur schwierig die Denkweise des stolzen Eusebio sowie der anderen Helden von Calderón versteht, den Dorfbewohner Gil oder seine schnippische Frau Menga (ausgezeichnete Irena Konvalinová) versteht er wirklich gut. Diese plebejische Denkweise – auch mit ihren möglichen Folgen bis zu, wie es in der Inszenierung gezeigt wird, blutigen Enden – bleibt dieselbe wie in der Zeit von Calderón oder in der Zeit von Havel oder Dürrenmatt...
Alles ist Begnadigung, lautet in Der Andacht zum Kreuz unbetrogen
Josef Mlejnek 18. November 2005 zdroj MF dnes
Die Regisseurin Hana Burešová im Calderóns Spiel bewies wieder, dass sie auch die religiöse Thematik voll zu machen weiß.
Die Regisseurin Hana Burešová studierte im Stadttheater Brno das Drama des spanischen Klassikers Pedro Calderón (1600-1681) Die Andacht zum Kreuz ein. Die Schicksale der zentralen Gestalten erinnern oft an die Sofoklos Geschichte des Königs Oedipus. Der Hauptheld Eusebio vom Kreuz lebt, ohne es zu wissen, mit einer anderen „Identität“, in einem Duell bringt er seinen Bruder um – was fehlt dazu, dass auch er auch seinen eigenen Vater umbringt, über den er nicht weiß, dass er sein Vater ist, und Inzest mit seiner eigenen Schwester-Zwillinge begeht?
Auch in diesem Spiel von Calderón gilt es, dass „das Leben ein Traum ist“, in dem wir irren, blindlings suchen und aus dem wir erst im Tod aufwachen, welcher für einen Christen Wiederbelebung darstellt. Albert Camus, der vor etwa einem Halbjahrhundert in Paris seine Adaptierung Der Andacht zum Kreuz schuf, wurde von der provokativen Weise fasziniert, in der Calderón drei Jahrhunderte vor Bernanos die tiefe Wahrheit aussprach und illustrierte, dass „alle Begnadigung ist“, was die Antwort des katholischen Schriftstellers auf unseren ungläubigen Einwand ist, dass niemand gerecht ist.
Hana Burešová bewies, in der Inszenierung komische sowie seriöse Lage ihres Regietalents auszuwerten. Wie eine von wenigen von uns ist sie imstande, sehr empfindlich und genau auch die heute anscheinend nichtaktuelle, so genannte religiöse Thematik zu verstehen und sie an die Zuschauer in der ganzen Skala der nicht betrogenen Theatersprache vorzulegen. Das Ergebnis ist auch im Fall Der Andacht zum Kreuz eine große Theateroper, außerordentlich gelungene und dynamische Durchdringung von Wort, Bewegung und Raum. Und auch der Musik, deren Autor Vladimír Franz ist.
Die Szene im Stadttheater ist einfach und streng, im Hintergrund oben ist der Raum zu sehen, der die separierte Klosterwelt andeutet. Bei den Auftritten mit den Räubern ist eine stilisierte Dekoration eines Waldes zu sehen. Petr Štěpán als Eusebio und Helena Dvořáková in der Rolle von Julia bewältigten die sehr schwierigen pathetischen Dialoge oder Monologe ohne Spur von Krämpfen oder Überspielen, was keinesfalls einfach ist, auch hinsichtlich zur komplizierten Struktur des Textes. Auch Ladislav Kolář entledigte sich seiner Rolle des Adeligen Curcio sehr gut, aber seine Gesten verlieren ab und zu den Zug, der zur vollkommenen Plastizität und so auch zur Glaubwürdigkeit dessen, was er sagt, notwendig ist. Die Inspiration durch die Bilder von El Greco ist in der Vorstellung in Brno nicht nur in Kostümen zu fühlen, es geht doch nicht nur um äußere Stilisierung, aber in Gesamtannäherung des Geistes der Zeit von Calderón und El Greco. Von edlen Fechtduellen an, welche „nur“ die Fortsetzung von Streiten und Dialogen mit anderen Mittel sind, zum Beispiel zum Tod von Eusebio, welcher nach verbrecherischen Peripetien aus dieser Welt gescheit, begnadigt im Christus Kreuz und versöhnt mit sich selbst.
Eine besondere Spannung in der Inszenierung entsteht zwischen der Auffassung der Andacht in der Zeit von Calderón und unseren Vorstellungen, von denen sie manchmal viel entfernt ist. Der Regisseurin gereicht auch es zur Ehre, dass sie sich ihre Arbeit durch „Blamieren“ oder durch andere postmoderne Ingredienzien nicht einfacher machte. Die komische Seite in Der Andacht zum Kreuz, die die Vorstellung entspannt, wird von den Dorfbewohnern dargestellt, die ebenso wie ihr mehr ausdrucksvoller Darsteller Gil (Viktor Skála) nicht immer positiv sind: sie treten dorthin bei, wo in jenem Moment Kraft ist, und sie sind nur in einem Haufen mutig.
Die Andacht zum Kreuz mündet in mystische Ekstase
Vladimír Čech 22. September 2005 zdroj Hospodářské noviny
Dem Stadttheater Brno wird es manchmal unterschoben, dass seine Dramaturgie dem Geschmack der Zuschauer nachläuft. Man kann schon mit einfacher Aufzählung der Titel opponieren, welche sicher kein verträglicher Bissen sind. Übrigens die Saison, welche gerade begonnen hat, ist auf die tschechischen Uraufführungen gerichtet, wodurch bezeugt wird, dass im Stadttheater ausgetretene Wege eher vermeidet werden. In der tschechischen Uraufführung wurde hier diesen Monat Die Andacht zum Kreuz des aus Madrid Gebürtiges Calderón de la Barca (1600-1681) aufgeführt.
Was die Inszenierung selbst betrifft, war die gastierende Regisseurin Hana Burešová eindeutig erfolgreich. Im Grunde genommen verlor das Spiel auch mit ganzem modernem oder zeitlosem Design nichts aus seinem weitausladenden Barockpathos und seiner hoch stehenden Hochwürdigkeit. Wenn es vor allem darum geht, dass das individuelle Leben im Konflikt mit der Ehre, wie sie vom Barock aufgefasst wurde, keinen Wert hat, dann, wenn sie wollen, dass dieser Gedanke hervortreten würde, kann er nicht ertöt sein, und er ist auch nicht.
Die Szene von Milan David, wiewohl einfach und in Anzeichen, wirkt sehr poetisch. Manchmal reichen weiße Vorhänge, ein andermal schwarze Tafel plus dezente, doch immer ein bisschen raffinierte Beleuchtung – das alles bildet ein adäquater Raum für die mehr oder wenig verborgenen, wilden und unbezähmbaren Leidenschaften des Körpers und der Seele.
Zu der allgemein schwülen Atmosphäre des Schauspiels, welche mindestens ein bisschen durch Auftritte des Dorfbewohners Gil (ausgezeichneter Viktor Skála) und seiner Ehefrau Menga (Irena Konvalinová) erleichtert wird, trägt sehr viel auch die Musik von Vladimír Franz bei, wann der Klang von Orgel, Chor und weiteren Instrumenten den Ohren das gönnt, was die Augen bekommen.
Erlebnis durch Mark und Bein
Die Regisseurin Hana Burešová mit ihrem Team könnte doch eine so originelle Inszenierungskonzeption entwerfen, aber wenn sie die genug tüchtigen Schauspieler nicht zur Verfügung hätte, Schauspieler, die ihre originelle Mühe verzinsen würden, würde alles die Wirkung verfehlen und es würde die Langweile herrschen. Die Leistungen der Protagonisten geben den Gestalten wirkliche Menschendimension, sie sind also keine Träger der unbelebten, barockweise aufgefassten und barockweise zugespitzten Charaktere. Und gerade deswegen rühren sie. Die Schauspieler erleben ihre Gestalte durch Mark und Bein mit, dass wir ihnen auch dann glauben, wann ihre Ekstase in Krampf übergeht.
Petr Štěpán als Eusebio bereicherte seine Galerie von jungen zerrissenen Menschen um einen Typ, dem auch die heftigen, durch unversöhnlichen Kampf von Leidenschaften und Überzeugung hervorgerufenen Wendungen in Handlung eigen sind. Sein Eusebio ist ein stürmischer ausgestoßener Mensch, dem der Zuschauer das jungenhafte Rebellentum sowie die definitive exaltierte Resignation und Versöhnlichkeit glaubt. Visuell erinnert dann Štěpán vielleicht an ein Samurai (Kostüme Hana Fischerová), wodurch die Widersetzlichkeit der Gestalt noch erhöht wird. Die ähnlich „schizophrenen“ Wandlungen gehen auch Curcio und Julia durch, in der suggestiven Darbietung von Ladislav Kolář und Helena Dvořáková. Von den anderen Kreationen ist noch Igor Ondříček in der Rolle von Lisardo, Bruder von Julia, zu erinnern, welcher dann die Personifizierung des Berichtvaters des Mörders Alberto wird.
Die Andacht zum Kreuz von Calderón ist für jemanden zwar das erste, aber sicher nicht vergebliche Treffen mit diesem Klassiker des spanischen Dramas. Die Inszenierung zwingt nämlich dazu, nicht kaltherzig zu bleiben und gemäß eigener Wesenart einen Standpunkt einzunehmen.
Mut zu Pathos und Schroffheit
Roman Sikora 19. September 2005 zdroj Literární noviny
Nur selten ist es möglich, im Rahmen des Brünner Theaters und vielleicht sogar im Rahmen des tschechischen Theaters, eine so geschlossene und vom Anfang an bis zum Ende fest geführte Form zu treffen, wie es der Fall der neuen Inszenierung Die Andacht zum Kreuz von Calderón im Stadttheater Brno, in der Regie der gastierenden Hana Burešová ist.
Hana Burešová arbeitete mit einem fast leeren Raum, in dem vor allem auf die Schauspielerleistungen, auf die immobilisierten Statuenarrangements des Klassizismusstils und auf die Kunst der expressiven Deklamation des Reimvers von Calderón besonderen Nachdruck gelegt wurde. Des Verses, der sicher zu mechanischer Rezitation treibt. Hier wurde doch der Sinn streng verfolgt und die Schauspieler (Petr Štěpán, Helena Dvořáková, Ladislav Kolář und Igor Ondříček) sind bereit, die Zuschaueraufmerksamkeit auch in ziemlich umfangreichen introspektiven Monologen zu halten. Und es ist vor allem das Ergebnis ihres Entschlusses, sich selbst voll aufs Spiel zu setzten, dass der Text, der leicht zur Selbstparodie abgleiten könnte, unter feiner Regieführung dem Zuschauer wörtlich gezwungen wird. Der Zuschauer ist gezwungen zuzuhören und die im Text erhaltenen dichterischen Bilder und Metaphern zu hören, welche die Qualität der Verwicklung überragen aber auch auswiegen. Es ist sicher nur für den Zuschauer (aber auch für den Rezensenten) gültig, der ins Theater nicht kam, um sich mit Effekten und Visualität betäuben zu lassen, und der die stilisierte und akzentuierte Bühnensprache für keinen Ballast hält, den Zuschauer, der noch nicht wegen seinem bedingten Reflexen gezwungen ist, vom Theater etwas ähnliches zu erwarten, was ihm alltäglich vom Fernsehen angeboten wird. Schliesslich, was anders kann das Theater in der Konkurrenz mit Fernsehen und Film anbieten, als (auch) ein Bühnengedicht, welches die Stillung und Beruhigung der durch allgemeine Hast zerstreuten Seele verlangt. Es ist doch nötig, dazu den Zuschauer zu zwingen. Und es ist nicht immer möglich. Und es ist nur mit einer planmäßigen und konsequent synthetischen Form möglich, die vom Regisseur in der aktiven Zusammenarbeit mit den anderen Schöpfern der Inszenierung modelliert wird, welche wenigstens für eine Weile aufhören zu denken, dass das, was der Zuschauer im Zuschauerraum machen sollte, ist vor allem laut lachen.
Eine wichtige Rolle in der Inszenierung gehört auch der Musik von Vladimír Franz und den beunruhigenden dissonanten Fragmenten des gemischten Chors Ars Brunensis Chorus. Außer der normalen Ausfüllung der Zwischenspiele während den geringen Umwandlungen des Spielraums, obwohl es sich beim ersten Hören um die Musik mit souveräner Handschrift handelt, tritt sie aktiv in die Handlung, kommentiert und hebt die Stellen der dramatischen Brüche hervor, formt die Tätigkeit der Schauspieler nach und bildet für sie einen Raum.
Die Regie spart an ausdrucksvolle, sich sehbar machende Auftritte. Ebenso wird hier an hinreißende Aktion gespart, welche so oft, falls sie versucht, realistisch zu sein, auf der Bühne künstlich und ungefüllt wirkt. Zweikämpfe, Schlägereien sowie abschließendes Lynchen des „Menschenfeindes“ sind in ihrer Bewegung in Andeutungen stilisiert. Es erscheinen sogar einige wirkliche und suggestive Metaphern. Zum Beispiel wenn der tote Bruder der verliebten Julia gebracht wird und der Vater sie, die Urheberin des Mordes, wütend auf die Leiche wirft, richtet sich Julia auf und auf ihrem weißen Unterrock haftet die Blut ihres Bruders.
Obwohl die Inszenierung, wie sonst alle Tragödien, auf der Grenze zwischen der Tragik und Posse pernament absichtslos schwingt, gleitet sie, vom mutigen Pathos getragen, nicht ab. Es helfen ihr auch die vom Autor geschickt eingeschobenen komischen Auftritte der „Volksgestalten“ und insbesondere die Auftritte von Gil in Darbietung von Viktor Skála, deren Aufgabe ist nicht den Zuschauer vorübergehend zu unterhalten und die Handlung so zu erleichtern, sondern vor allem die Grenze zwischen der Tragik und Komik zu ermessen. Und es helfen ihr auch die Schauspielerleistungen und vor allem die Regie, welcher gelingt es, sich mit der Konsequenz in der Form auch über die ziemlich diskutable und schematische abschließende Versöhnung im Tode und über den Sündenerlass zu übertragen.
Im Grunde genommen, geht es um eine, was die Gedanken betrifft, sehr konservative Inszenierung, welche sich zur Gegenwart fast nicht bezieht. Und religiös. Aber wie beschreiend. Wie konsequent. Wie nicht instant.
Die Szene beherrscht der Geiser von Ermordungen und Unzucht
Jiří P. Kříž 13. September 2005 zdroj Právo
Das Stadttheater Brno brachte Die Andacht zum Kreuz des Spaniers Calderón nach Tschechien
Hana Burešová mit Vladimír Franz im Stadttheater Brno, hervorragende Regisseurin mit charismatischem Musiker in der gegenseitigen Zusammenarbeit an Der Andacht zum Kreuz des Spaniers Pedro Calderón de la Barca in der Übersetzung von Vladimír Mikeš.
Und auf der Szene ein souveränes Schauspielerteam. Das alles versprach ein grosses Theatererlebnis bei der tschechischen Uraufführung des Spiels des Größten von den Barockmeistern. Ich würde sagen – die Geschichte auf dem Wege von Shakespeare zum Beispiel zu Schiller, und noch weiter: zum heutigen modernen Aktionsdrama. In Der Andacht zum Kreuz ist alles zu finden. Unklare Herkunft des Haupthelds, aus dem so ein Gesellschaftsoutsider wird, stürmische Liebe, Mißbilligung der Eltern, welche die Heirat verhindert, Tod im Zweikampf, Leben des Geächteten, Eifersucht, Räuberei, Ermordungen, Tobsucht, Unzucht, Inzest, Haß, Rache ...
Franz ist ein Musikgenie.
Es wäre doch kein Calderón, wenn er hinter dies alles die Suche nach dem Gott, sein Finden, Verzeihung und Versöhnung nicht gelegt hätte. Andacht, Gotteswille und Wunder, das sind die Werte, aus denen die gegenwärtigen Zuschauergenerationen bei uns nur einen Teil aus seinem Werk kennen – meistens nur Das Leben ist Traum. Durch ein Zusammentreffen von Umständen sind es zusammen mit Der Andacht zum Kreuz die Spiele aus dem schöpferischen Gipfelaufschwung des Autors (1636).
Burešová nutzte das Potential und die Möglichkeiten eines von den meist professionell geführten und arbeitenden Theaterhäusern des mitteleuropäischen Raums perfekt aus. Eher nur für sich selbst erinnerte sie die eigenen Ausgangspunkte der Komödie dell’arte, insbesondere in den Auftritten des Dorfbewohners Gil (Viktor Skála). Sie führte die Geschichte in den obskuren Helldunkelkonturen der großen Leinwände der szenischen Bilder nach Bruegel. Es halfen ihr sehr der Bühnenbildner Milan David und die Kostümerin Hana Fischerová, und vor allem der schon erwähnte Vladimír Franz, der imstande ist, die moderne instrumentelle sowie musikalische Fantasieinspiration mit den symphonisch harmonischen Barockeinheiten, in denen die Orgelakkorden und Melodien dominieren, genial zu verbinden. Wieder eine von seinen monumentalen Arbeiten, welche noch längst erinnert wird.
Dvořáková und Štěpán beherrschen die Szene
Auf der Szene wüten die Leidenschaften, insbesondere in den Beziehungen des Hauptpaars der Zerrissenen Eusebio vom Kreuz (Petr Štěpán) und Julia (Helena Dvořáková). Die Leistungen von beiden Schauspielern korrespondieren vollkommen mit der Regieabsicht und auch mit der akzentuierten Romantiklinie der Verdammung des unglücklichen Liebespaasrs, der Verfluchteten, Geächteten. Mit diesen halten Ladislav Kolář (Julias Vater Curio), Igor Ondříček (ihr Bruder Lisandro und Priester Alberto) und andere Schritt. Es ist nicht nötig, Die Andacht zum Kreuz von Calderón wie eine Messe zu besuchen. Es ist aber höchstens gut, dass wir endlich auch ihn kennen lernen können. Dass er manchmal mehr suggestiv als Shakespeare ist, wie ich in einem Werbeslogan lesen konnte, ist nämlich restlos gültig.
Das Stadttheater Brno eröffnete die Saison mit der tragischen Geschichte des Schicksalsliebespaars
Simona Polcarová 13. September 2005 zdroj Rovnost
Mit der tragischen Geschichte des Schicksalsliebespaars, mit der unbezähmbaren Leidenschaft sowie Glaube wurde am Wochenende die neue Saison des Stadttheaters Brno eröffnet. Zur Uraufführung wurde das Barockdrama von Calderón de la Barca Die Andacht zum Kreuz, welches auf den tschechischen Bühnen überhaupt zum ersten Mal erschien.
Das Drama wirkt wie eine Bilderfolge.
Die Regisseurin Hana Burešová achtet die Tragik der Geschichte sowie den moralischen Kampf der Akteure. Das Wichtigste ist für sie, gleich neben der Schicksalsliebe, die Zerrissenheit von Eusebio, der zwischen dem Weg der Ehre und des Verbrechens steht, und der Innenkampf des Übeltäters Curcio. Gleichzeitig erleichtert sie das schwere Drama durch komische Auftritte mit dem berechnenden Dorfbewohnerpaar Gil und Menga.
Die Bestrebung der Regisseurin wird von der
Szene und Musik gekrönt
Die Parten von Julia und Eusebio wurden zu der nicht verschwendeten Gelegenheit für Helena Dvořáková und Petr Štěpán. Dvořáková erlebt die Fatalität ihrer Gestalt innerlich, in Štěpán streiten zeitweilen sein Kampf mit der Gestalt und die Zerrüttetheit von Eusebio. Die Atmosphäre der Vorstellung wird unter allen Umständen von der symbolischen und charakteristisch sprechenden Szene des gastierenden Milan David und von der Musik von Vladimír Franz hervorgehoben, welche insbesondere die Schlüsselmomente erfasst und die Sakralmotive unterstreicht.
Persönlichkeit des Monats / Hana Burešová
1. Dezember -1 zdroj Theaterzeitung
Die Regisseurin Hana Burešová in Zusammenarbeit mit dem Dramaturgen Štěpán Otčenášek widmete der Arbeit an Der Andacht zum Kreuz von Calderon ebenso intensive Sorgfalt wie ihren Hochinszenierungen auf ihrer Mutterszene im Prager Theater in Dlouhá-Strasse (Divadlo v Dlouhé). Nicht nur dass sie das Repertoire der Brünner Szene durch einen merkwürdigen, anspruchsvollen und in unseren (den großen spanischen dramatischen Dichter vorwiegend missachtenden) Bedingungen bahnbrechenden Titel bereicherte, aber dank energischer Auffassung und einfallsreicher Stilisierung gelang es ihr, die szenische Wirksamkeit des Barocktheatralisches und der Barockemotionalität in einem ganz unterschiedlichen Kulturkontext durchzusetzen. Das Verdienst gehört vor allem der durchdachten dialektischen Mitwirkung von allen Kunstkomponenten, von welchen neben der temperamentsvollen Beherrschung des Haupttrios vor allem die Musik von Vladimír Franz dominiert, welche die Übergriffe der menschlichen Schicksaale ergiebig unterstützt. In der Zeit, die steriles Coolness verherrlicht, bringt die Brünner Inszenierung das, was dem tschechischen Theater fühlbar fehlt: Leidenschaft, Pathos und geistliche Dimension.
Leidenschaft und Kreuz
Zdeněk Hořínek 1. Dezember -1 zdroj Theaterzeitung
Im Original trägt das Werk den Titel La devoción de la cruz, also Ergebenheit für das Kreuz, was religiöse, moralische und vor allem geheimnisvolle Schicksaalfunktion des Symbols andeutet. Der Übersetzer hob doch mit seiner Wahl des Titels Znamení kříže (Zeichen des Kreuzes) die Zeichenfunktion in der künstlichen Struktur des Textes hervor. Die zwanzig Jahre alte Übersetzung von Vladimír Mikeš wurde zum ausgezeichneten Ausgangspunkt für die heutige Inszenierung: sachlich und verständlich interpretiert er den ein bisschen entfernten Stoff, er gibt ihm zeitlose existenziale Gültigkeit. Der zeitweilige Reim setzt sich mit unstörenden Selbstverständlichkeit durch und das Pathos der leidenschaftlichen Szenen fällt nie in glatte Rhetorik.
gastierende Regisseurin Hana Burešová, die schon mit Calderons Gipfelwerk (Der wundertätige Magus) zusammenstieß, musste vor allem zwei Inszenierungsprobleme lösen: einen Ausdruck finden, der für die exzentrische Geschichte in einer merkwürdigen Genremischung und für die extremen Äußerungen der menschlichen Leidenschaften auf der Grenze zwischen Schuld und Strafe, Gut und Böse, Leben und Tod annehmbar wäre. Die in Barockweise gesteigerte Gegensätzlichkeit von Situationen, Stimmungen und Stellungen war im Einklang von allen Ausdrucksmitteln zu sehen, von der Formgestaltung (veränderliche Kombinationen von Weiß und Schwarz in Vorhängen, Kulissen sowie Kostümen) bis zu einfallsreich stilisierten Schauspielhandlungen. Die Zweikämpfe laufen in choreographischen Andeutungen ab, das Kriegsgeschrei wird von verwirrter Lauferei der Kämpfer sowie von der Bewegung der schwarzen Kulissen hervorgerufen, welche noch dazu die Rolle der Blenden, Mauern, Schanzen alla Claudel – Instrumenten sowie Symbolen von Verbergen, Trennung, Gefangenhaltung haben. Häufige Monologe sind wie weit entwickelte Repliken aufgefasst, bei denen der Partner aufmerksam, denn regungslos zuhört (es erinnerte mich an tiefes Erlebnis bei Vilars Inszenierungen der französischen Klassik) und der Sprecher seine Aussage wie einen suggestiven dramatischen Prozess präsentiert. Die Musik von Vladimír Franz evoziert mit ihren schleppenden Tonen gespannte Atmosphäre, mit rasanten Attacken phrasiert sie die Bühnenhandlung und unterstreicht die Situationspointen. Auf den spiritualen Gipfeln stütz sie dann mit ihren majestätischen Orgeltonen und Zitierungen der Choralgesänge die transzendentale Dimension der Menschenschicksale.
Voraussetzung für das Erfolg war doch die Besetzung von drei entscheidenden dramatischen Kräften im Spiel: Geliebter, Vater und Tochter. Petr Štěpán ist für seine Aufgabe genug begabt: mit gut gewachsener Figur, Adlerblick, explosivem Temperament, heftigen Emotionaländerungen äußert er die unbeugsame Männlichkeit von Eusebio sowie seine Schwankung zwischen Leidenschaft, Zärtlichkeit und Wut. Curcio von Ladislav Kolář wirkt wie eine verkörperte Autorität, entscheidend, streng und grausam. Seine plumpe aufrechte Körperhaltung bricht sich nur in den Momenten der Erinnerungen an die gestorbene Ehefrau – als ob er in vergangener und auch postmortaler Eifersucht seine Schuld, Ursache des traurigen Schicksals beider Kinder ahnen würde, welche für sich unbewusst blutschänderische Liebe empfanden. Helena Dvořáková machte ihre Julia zur Mitte, auf die die Absichte von beiden männlichen Gegnerspielern hinsteuern und von der sie abprallen. In ihrer weiblichen Innigkeit musste sie die wahrlich männliche Entschlossenheit mobilisieren um das wacklige Gleichgewicht der Kräfte zu halten und gleichzeitig wie ein empfindlicher Resonanzboden der Situation zu wirken. Auf dieser ist das typische Barockparadox der Größe und Not des Menschenschicksals zu sehen. Stolz und trotzig in berechtigten Anforderungen ihrer Liebesleidenschaft – in ihrer Erniedrigung kriecht sie auf dem Boden wie ein Wurm.
Die sich anbietende Frage nach der Gültigkeit des Calderons Werks und seiner Inszenierung in heutigen Bedingungen kann nicht mit vulgären Hinweisen an ephemere Aktualitäten beantwortet werden. Ewige, existenzial eingewurzelte Menschendilemmata sind immer und überall gültig, wobei sie selbst den Begriff der Aktualität in Frage stellen. Gerade eine gewisse Entfernung des Barockbewusstseins und Gewissens, der extremen Barockemotionalität und Sensibilität ist imstande, heute zumindest aufreizend zu wirken, sie kann überraschen sowie aufbringen, aber bestimmt werden wir ihr wesentliches Dramatische nicht abstreiten. Das Dramatische, das sich mit obligater Anhäufung der negativen Erscheinungen nicht zufrieden gibt aber das der Schauder der Menschenschicksale mit Lichtenblicke durchscheinen kann, deren Träger im Spiel das Symbol des Kreuzes ist.
Die Andacht zum Kreuz von Calderon im Stadttheater Brno
im 1. Dezember -1 zdroj Kult
Zur Eröffnungsuraufführung des Stadttheaters Brno wurde das Calderons Drama Die Andacht zum Kreuz in der Regie von Hana Burešová. Tragödie der unerfüllten Liebe und Ehre, Geschichte über Seeleirren und Suchen nach eigener Identität, voll von Leidenschaft, Grausamkeit sowie Sehnsucht nach der Rache. Das Kreuz wie Symbol, Beschützer und Grenzstein. Ausgezeichnete und hinreißende Schauspielleistungen der Zentraldarsteller mit Petr Štěpán (Eusebio) und Helena Dvořáková (Julia) an der Spitze, perfekte Regieeinstudierung und permanent spannende Geschichte. Dem Inszenierungsteam Burešová-Otčenášek (Dramaturgie), David (Szene), Fischerová (Kostüme) gelang es, ein geschmackvolles dramatisches Theaterstück zu schaffen, das die meisten Zuschauer zweifellos fesseln wird. Noch dazu ist diese alte Barockgeschichte nicht so weit von unserem Denken und Empfindung der gegenwärtigen Welt.