Musical First Date: dieses Rendezvous hat Pep!
Luboš Mareček 11. Oktober 2021 zdroj www.mestohudby.cz
Als Neuheit hat das Stadttheater Brno die Musikinszenierung First Date im Programm. Was alles beim ersten Blind Date passieren kann, das erfahren Sie in dieser flotten Musicalkomödie, die ihre Premiere vor sieben Jahren am Broadway feierte. Die Brünner Aufführung als europäische Premiere unter der Regie von Stanislav Moša bringt witziges, tempogeladenes und musikalisch ansprechendes Vollbluttheater auf die Bühne.
First Date ist ein raffiniert konstruiertes Kammermusical für sieben Schauspieler, aber nahezu drei Dutzend dramatische Figuren (oder eher Figürchen). In das erste Stelldichein des schüchternen Managers Aaron und der resoluten, nicht auf den Mund gefallenen Casey reden nämlich die verschiedenste „Stimmen im Kopf“ hinein – Freunde, frühere Partner oder Verwandte. Und gerade diese spezielle und erfinderische Form des Musicals mit nur kleiner Besetzung, aber großem Theaterpotential macht das Stück für die Zuschauer zu einer sehr anziehenden Delikatesse. Das unablässige Gelächter aus den Publikumsrängen und Applaus bei offener Bühne mögen als Beleg für meine Behauptung genügen.
Die Musik und die Songtexte sind das Werk von Zachary und Weiner, die sich schon auf dem College in Los Angeles angefreundet hatten und auf deren Konto mehrere Musicalproduktionen für Disney gehen, die aber auch schon Songs für verschiedene Fernsehsender komponiert haben. Autor der gesprochenen Teile des Musicals ist der Serienszenarist und -produzent Winsberg. Die Autoren haben in dieses Stück die Erfahrungen und Peinlichkeiten aus ihrem eigenen Liebesleben projiziert. Das Musical First Date entstand bereits lange vor seiner ersten Aufführung und diente den drei genannten Herren zunächst eher als eine Art Psychotherapie. Die Weltpremiere fand 2012 in Seattle statt, im folgenden Jahr wurde First Date am Broadway gespielt und später unter anderem auch in Tokio oder Melbourne. Die Londoner Premiere des Musicals war für Oktober 2020 angesetzt, wurde jedoch wegen der weltweiten Covid-19-Pandemie nur als Livestream übertragen.
Die Premiere am Stadttheater Brno ist damit gleichzeitig die erste „Offline“-Aufführung des Musicals in Europa. Und mit dem prompten dramaturgischen Import aktueller Neuheiten des Musiktheaters hat sich die Bühne in der Lidická ja schon seit Jahren einen Namen gemacht. Mošas zweistündige Inszenierung ohne Pause hat Schwung und Pep, auf der kleinen Schauspielbühne kommt sie ohne bombastische Effekte, ohne monströse, donnernde Beschallung aus und bleibt dennoch ein vollwertiges Musical mit gelungenem Einsatz der Schauspieler, witzigen Songs und einfallsreicher Musik. Die Autoren charakterisieren oder materialisieren jede der Situationen in dem ganz gewöhnlichen Café durch ein anderes Musikgenre, ziehen die Musikstile, aber auch die unterschiedlichsten Klischees durch den Kakao. In den siebzehn Musiknummern erklingen somit Rock, Pop, Poprock, Jazz oder eine Rapeinlage, aber etwa in der überaus gelungenen Chornummer Diese Frau wirklich nicht! auch jüdische Klezmermusik. Wunderbar sind auch die Zitate aus Händels Messias oder später aus einem der Hits des berühmten Folkduos Simon & Garfunkel.
Entgegen den eingeführten Gewohnheiten von der großen Musikbühne des Stadttheaters Brno bekommt das Publikum kein Orchester zu hören. Beim Musical First Date kommt Half-Playback zum Einsatz, die Schauspieler singen zu im Voraus aufgezeichneter Musik. Der Schönheit dieser Inszenierung tut dies jedoch nicht den geringsten Abbruch. Auch ohne Live-Orchester genießt das Publikum dieses zauberhafte musikalische Karussell, wo sich die erwähnten Genres mit Leichtigkeit abwechseln. Der Vorzug der musikalischen Architektur dieses Titels liegt darin, dass das Ganze trotz der heterogenen musikalischen Ausstattung nicht zersplittert oder uneinheitlich wirkt. Moša schmückt seine Inszenierung weder von der szenischen Wirkung noch von der Regie her mit überflüssigen Rüschen. Er ist bemüht, die humorvollen, komischen und stellenweise auch ironischen Lagen des Titels auszubalancieren durch geradezu melancholische, romantische Passagen, wie sie die Liebesbemühungen dieser sich nach einem Partner sehnenden dreißigjährigen Singles durchaus anbieten.
Und diese Kontraste beherrschen ausgezeichnet auch die beiden Protagonisten. Doch wenngleich die Inszenierung vor allem auf der Leistung der beiden Hauptakteure Eliška Skálová und Daniel Rymeš steht, die schauspielerisch und gesanglich absolut souverän agieren, so sekundieren den beiden sehr gekonnt auch Aleš Slanina, Svetlana Janotová, Dušan Vitázek, Andrea Zelová und Kristian Pekar. Alle haben in ihren Nebenrollen perfekte Miniaturen geschaffen. Das Publikum nimmt überrascht zur Kenntnis, dass sich im Theater auch Internetbrowser oder soziale Netzwerke wie Youtube, Facebook, Instagram oder Twitter spielen lassen. Das Bühnenbild von Jaroslav Milfajt besteht aus dem Interieur eines einfachen Cafés mit einem gewaltigen Panoramablick über das nächtliche New York. Die Einfachheit der Ausstattung wie auch der gelungenen Kostüme von Andrea Kučerová ergibt sich einerseits aus den häufigen schnittartigen Wandlungen der Schauspieler in den Nebenrollen, andererseits aus dem Plan des Theaters, First Date auch als Gastspieltitel in anderen mährischen und böhmischen Städten zur Aufführung zu bringen. First Date auf der Schauspielbühne des Stadttheaters Brno ist ein Treffer ins Schwarze – ein Paradebeispiel für geistreich konzipiertes und gespieltes Theater, das wirklich die verschiedensten Generationen anspricht. Es ist ein ausgezeichnetes Musicalstück voll mitreißendem Spaß und kurzweiliger Zerstreuung, aber auch mit einem sarkastischen Blick auf das Leben der Dreißigjährigen von heute.