Du liest jene vollgemachte Poesie zu viel, Izzy
Jiří P. Kříž 7. Juni 2006 zdroj Právo
Stanislav Moša führte in Brno Richard Bean, Vertreter der In-yer-face, der Dramatik in die Fratze. Vielleicht um sich und die Zuschauern zu erinnern, dass das Theater nicht nur Musical ist, kehrte der Prinzipal des Stadttheaters Brno Stanislav Moša wieder einmal zur Schauspielregie zurück.
Auf die Bühne der Schauspielszene führte er das Stück von Richard Bean Honeymoon Suite auf. Der Text wurde von Pavlína Hoggard übersetzt.
Die dreieinige Geschichte sieht sich nach der Geschichte einer Beziehung in einem Zimmer eines Seehotels, nahe des Fischer- und Marineviertels um. Hier treffen sich heute schon beinahe siebzig Jahre alte Menschen, Whitchell (Karel Janský) mit der Baronesse von Marfleet (Zdena Herfortová), welche auf demselben Platz ihre Brautnacht verbrachten.
Vorsichtlich in die Fratze
Ihr Treffen vermischt sich in Reminiszenzen auf die Faszination des achtzehnjährigen jungen Ehepaars von Irene und Eddie – alterniert von Johana Gazdíková, Lenka Janíková, Alan Novotný und Jakub Uličník - und dann auf einen Moment, wann die Beziehung beginnt sich zu krümmen, die Beziehung der dreiundvierzigjährigen, sich zueinander fremd gewordenen Menschen, die der Autor an Izzy und Tits umbenannte. Auch in dieser Reflexion alternieren die weibliche Rolle Dita Kaplanová und Dana Pešková, während Tits nur von Petr Štěpán dargestellt ist.
Alle sechs Gestalteten vermischen sich und treffen sich auf der Bühne, aber sie gehen an sich nur vorbei. Jedes Paar ist in die eigene Zeit geschlossen, ohne Möglichkeit Dialog hinter ihrer Grenze, in die Vergangenheit oder Zukunft, zu führen. Ein interessantes, reizvolles Prinzip, das den Zuschauer zu wachsamer Aufmerksamkeit führt, ob die vom Autor festgestellte Ordnung verletzt werden wird.
Honeymoon suite ist provokativ, aber es ist dem Boulevard entfernt. Es gehört eher in jene Linie von Schauspielen, mit denen das Team des Stadttheaters Brno mit dem für Brno typische Verfeidung erfolgreich polemisiert, dass seine Inszenierungen nur den Zuschauern vorlaufen. Darüber hinaus die Leistungen von Herfortová (endlich eine Rolle wie ein Geschenk zu ihrem vorjährigen Jubiläum) Janský, Štěpán und anderen verdienen, als schauspielerisches Konzert bezeichnet zu werden. Übrigens – wann nicht?
Eheetüden oder drei Komödien in einem Spiel
Luboš Mareček 1. Dezember -1 zdroj MF DNES
Das Stadttheater Brno führte am Wochenende die tschechische Uraufführung des englischen Spiels Honeymoon suite auf. Der Text des gegenwärtigen Dramatikers Richard Bean ist zumeist bittere Komödie über Veränderungen der Lebensstellungen eines Ehepaars.
Bean situierte die Handlung in ein Hotelzimmer, in dem er die Schicksale des Ehepaars Eda und Irena verfolgt. Die Zuschauer werden drei Schlüsselmomente aus der beinahe ein Halbjahrhundert dauernden Beziehung sehen, die von der heftigen kopflosen Verliebtheit bis zum gehobenen Sarkasmus durchging. Der Grundwitz des Textbuches besteht darin, dass Bean alle sechs Gestalten in ein Zimmer gleichzeitig situierte. Auf der Bühne stehen drei Eda und drei Irena: wie nervöses achtzehnjähriges junges Ehepaar während seiner Brautnacht, wie dreiundvierzigjährige Menschen während ihrer nicht gelungenen Feier der Silberhochzeit und endlich wie Siebenundsechziger, die schon lange getrennt leben.
Der Regisseur der Inszenierung Stanislav Moša versuchte, an die drei Formen einer Beziehung unterschiedliche Genres zu geben. Der verliebte Balzbräutigam und seine Braut sind wie aus einer verrückten Komödie, das Mittelalter ist ein zerrüttetes Drama mit Sinn für die Absurdität. Der trockene englische Humor sowie die Oberansicht des ältesten Paars erinnert an ein altes gutes Konversationsspiel, in dem man mehr mit Worten als Gefühlen fuchtelt.
Gerade aus den rasanten Veränderungen wird es den Zuschauern klar, dass alles im Leben relativ ist, menschliche Beziehungen nicht ausgenommen. Und das ist auch die Hauptmitteilung des Spiels, das durchaus nicht klügelt und zum Glück keine „wichtige“ Botschaften häuft. Und dieser ungewöhnliche Blickwinkel auf die menschliche Existenz wird auch der Hauptgrund sein, das Stadttheater Brno zu besuchen.
Honeymoon suite
David Kroča 1. Dezember -1 zdroj Český rozhlas 3 - Vltava
Die Beans Komödie Honeymoon suite bearbeitet das traditionelle Thema der Ehekrise auf eine unerwartete Art. Der Schauplatz des Spiels ist das Appartement im Seehotel, in dem wir drei Schlüsselmomente aus dem Leben eines Ehepaars verfolgen. Der Witz besteht darin, dass drei unterschiedliche Etappen der Beziehung zwischen Eda und Irena vom Dramatiker gleichzeitig dargestellt werden. Auf der Bühne treten also gleichzeitig junges Ehepaar während seiner Brautnacht, reifes Paar, das seine Silberhochzeit feiert, und endlich auch zwei ruhig bilanzierenden, sechzigjährigen Menschen auf.
Der Regisseur Stanislav Moša inszeniert die bittere Komödie über den Verwandlungen einer Ehe mit Humor, aber gleichzeitig mit Sinn für die Wichtigkeit der Situation. Drei unterschiedliche Treffen zielen nämlich auf allmählichen Zerfall, dessen Andeutungen schon während der Brautnacht offensichtlich sind. Die Inszenierung erweckt die nostalgischen Gefühle im Moment, wann sie an die Vergänglichkeit der kopflosen Verliebtheit erinnert, welche nach vielen Jahren des Zusammenlebens durch Verzicht, Passivität und rationelle Obersicht ersetzt wird. In der Schlussfase treffen sich die Beans Eheleute nur wie alte Freunde nach vielen Jahren der Trennung.
Die witzigen Kürzungen eines Lebensmosaiks waren vom Regisseur dadurch unterstrichen, dass er die ganze Geschichte der Ehe in der zweistündigen Inszenierung ohne Pause erzählt. Die Szene von Emil Konečný, die das Flitterwocheappartement darstellt, ist absichtlich statisch, der in orange Farbe abgestimmte Interieur ist nur durch die Glastür nach Balkon mit geahnter Sicht auf das Meer geteilt. In diesen unveränderbaren Raum kommen mit der Zeit sechs Gestalten, dessen Repliken aus unterschiedlicher Zeit sich gegenseitig ergänzen oder durchdringen. Solches Durchdringen von Dialogen können wir zum Beispiel in der Szene sehen, in der die Darsteller von Eda, in unterschiedlicher Alter, das Fenster öffnen möchten, während die Frauen dagegen einmütig protestieren.
Die Leistungen von sechs Akteuren sind in der Inszenierung ausgeprägt und gleichwertig, aber sicher würde nicht schaden, mehr präzise Pointen zu spielen. Das junge Ehepaar wird von Alan Novotný in Alternierung mit Jakub Uličník und von Johana Gazdíková oder Lenka Janíková dargestellt. Bei der Wideraufführung, die ich sehen konnte, spielte Alan Novotný, dessen achtzehnjähriger Eda geradliniger und leicht unverschämter Arbeiter aus der Fischerei ist, während Irena in der Darbietung von Lenka Janíková wie eine attraktive junge Dame mit auserlesenem Auftreten ausklingt. Die Unterschiedlichkeit der Charaktere ist nach einem Vierteljahrhundert zu sehen. Aus dem Ehemann in der Darbietung von Peter Štěpán wurde ein eitler Unternehmer, der sich die Liebe seiner Frau mit einem Ring mit Diamant kaufen will, Dita Kaplanová (in Alternierung mit Dana Pešková) verlieh an Irena die Züge einer emanzipierten Frau, die nach dem Studium an der Rechtsfakultät sehnt und ruhig Untreue gesteht. Der alt gewordene Eda von Karel Janský machte aus dem schicksalhaften Zimmer sein Zuhause, er versucht doch vergeblich, die Erinnerungen an die Begeisterung des jungen Ehepaars bei seiner Ehefrau auszurufen, die sich nach Jahren an den Gesellschaftsgipfel emporarbeitete. Zdena Herfortová stellt sie wie eine Nobelbaronesse dar, für die die Idealen der ewigen Liebe schon längst verloren sind.
Nur wenige Dramen aus der Gegenwart kondensieren die Paradoxe der menschlichen Lebenswanderung so anschaulich wie Honeymoon suite von Bean. Im Stadttheater Brno setzen auf den Titel, der offensichtlich nicht an Mangel der Zuschauer leiden wird.
Kluges Appartement
Pavel Gejdoš 1. Dezember -1 zdroj Rovnost
Beim ersten Anblick sieht die neueste Uraufführung des Stadttheaters Brno – Honeymoon suite – wie eine weitere Situationskomödie aus. Dass das Stück von Richard Bean keine Komödie ist, ist schon nach einer Weile klar. Wie die vergleichbare Arkadia von Stoppard kombiniert es klug unterschiedliche Zeitebenen, im Unterschied zur längsten Geschichte und Gegenwart in der Arkadia aber drei Ausschnitte aus dem Leben eines Ehepaars – Flitterwochen, Krise und Treffen nach Jahren. Jede Zeit hat ihre eigenen Protagonisten. Bei den Darstellerinnen der Frauen versuchte der Regisseur Stanislav Moša, dass sie möglichst ähnlich aussehen. Für das mittlere Lebensalter lieh er also Dita Kaplanová aus dem Theater Husa na provázku aus. Was die schauspielerischen Paare betrifft, werden wir uns an die durch das Leben klug gewordenen (und gut glossierenden) Karel Janský und Zdena Herfortová erinnern.
Die Anerkennung gehört auch der Szene von Emil Konečný. Auf ein solches Appartement würden die Gestalten vielleicht wirklich erinnern. Und auch die Zuschauer.