Bastard: Eine Kreuzung der Liebe und des Bösen
Josef Meszáros 6. Mai 2024 zdroj www.scena.cz
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Die Inszenierung Bastard wurde von einem neuen Team einstudiert. (…) Regisseur Petr Gazdík erzählt eine märchenhafte Geschichte unter Nutzung modernster Bühnentechnik, die den Theatermachern vor dreißig Jahren noch nicht zur Verfügung stand. Für die perfekte Visualisierung sorgte Petr Hloušek. Dank seiner Fantasie finden wir uns in einem Kosmos wieder, wo das Gute mit dem Bösen im Widerstreit steht.
(…) Die Szene von Petr Hloušek wird durch tempelartige Pfeiler eingerahmt. Die Betonung des Metaphysischen und der Mystik ist in dem ganzen Stück sehr markant. In der Fassade der Kirche ist ein Altar angedeutet. Das Gotteshaus verwandelt sich immer wieder in ein Inferno, vor allem durch die Laser, die erbarmungslos durch den Raum kreuzen, wobei rote und grüne Farbe dominiert.
Die Musik von Zdenek Merta ist vielschichtig und gegliedert in Einführung, Kyrie eleison, Offertorium, Sanctus, Benedictus, Agnus Dei… Gemessen an ihrer Entstehungszeit hat die ganze Komposition einen modernen Klang von einer Rockballade bis hin zum Kirchenchor. Diese musikalische Vielfalt ist für die siebenköpfige Kapelle eine echte Herausforderung, doch Bandleader Tony Marko hat sein Ensemble perfekt im Griff. Dazu sei gesagt, dass er in der Band selbst aktiv mitspielt und daneben für verschiedene elektronische Klänge sorgt. Das alles erfordert eine große Disziplin des Chors, der Band wie der Solisten.
Der Librettist Stanislav Moša spielt überwiegend mit der Symbolik der Worte. Der Text des Oratoriums hat einen geradezu pulsierenden Rhythmus. Dabei jedoch ergibt dieser magmatische Strom der Worte Sinn, setzt Glut frei. Er gibt den einzelnen Interpreten die Gelegenheit, den Charakter ihrer Figuren zu enthüllen und das Publikum durch die angedeutete Handlung zu führen.
Der von Dušan Vitázek verkörperte Bastard ist authentisch in seiner Suche. Er hat die Figur eines Rockers, der unter der harten Schale seine zarte Seele verbirgt. Er kämpft mit den Verlockungen, reflektiert lakonisch die Probleme, von denen er nichts hören und die er nicht angehen will. Mit der Zeit erleben wir jedoch, wie sie ihn immer mehr belasten und er schließlich doch gezwungen ist zu handeln.
Viktória Matušovová ist ein reifer und vor allem fester Satan. Matušovová dominiert mit ihrem Stimmumfang, doch sie beherrscht die Bühne auch physisch. Das Trio ihrer drei Schatten (Svetlana Jandová, Ivana Vaňková und Diana Velčická) ordnet sich ihr vollkommen unter. Alle drei Protagonistinnen genießen ihre Rollen als eine Art von Vamps. Nach und nach pumpen sie die wahre Liebe des Bastards zu seinen Nächsten durch eine Transfusion der käuflichen leichten Liebe der Sünde ab.
Das von Esther Mertová gespielte Gretchen ist rein und treu, sie wirkt zerbrechlich und verwundbar. Sie glaubt nicht, dass ihr jemand etwas antun könnte. Die Sünden des Bastards sieht sie zwar, doch ist sie überzeugt, dass sich das Böse zum Guten wenden wird. Sie ist nicht in der Lage, sich eine andere Norm als gutherzige und aufopferungsvolle Liebe einzugestehen.
Ondřej Studénka spielt den Homunkulus auf innovative Art – auf der Bühne wurde er als mit künstlicher Intelligenz ausgestatteter Roboter geboren. Er lernt allmählich und konfrontiert den Bastard höflich mit einer schroffen Wahrheit, die sich nur schwerlich akzeptieren lässt. Am Ende von allem steht nach seiner Ansicht und nach der Wahrheit der Untergang. In seiner roboterhaften Denkweise kann er die Existenz eines himmlischen Königreichs und ein Weiterleben des Geistes nicht akzeptieren.
Der Heilige Geist, so wie Jan Apolenář ihn verkörpert, ist angemessen bedächtig und ruhig. Eine weitere Quelle des Lichts auf der Bühne. Apolenář beschenkt das Publikum mit gut phrasierten Belcanto-Arien. Seine schauspielerische Reife und Abgeklärtheit entspricht dem Naturell seiner Figur.
Eine nützliche Wiederkehr
Josef Herman 4. Mai 2024 zdroj www.divadelninoviny.cz
(…) Wie anders als mit der Wiederaufführung des Bastards hätte das Theater den Auftakt der Feierlichkeiten zum zwanzigsten Jahrestag der Musikbühne (eröffnet wurde sie am 1. Oktober 2004 mit der Premiere des Musicals Hair) begehen können, auch wenn dieser damals natürlich noch auf der kleinen ursprünglichen Bühne gespielt wurde und sogar nach vor der Rekonstruktion durch Miroslav Melena.
In Erinnerung sind mir Bruchstücke einer reich beleuchteten und kostümierten, aber eher statischen Aufführung des Oratoriums geblieben, nicht unähnlich der Einstudierung von Bernsteins MASS – welche nach meinem Dafürhalten einen grundlegenden Einfluss auf Merta hatte. Die neue Inszenierung dagegen setzt auf die proklamierte Visualisierung, auf eine faszinierende Show, die mit der heutigen Technik auf der weitläufigen Fläche der Musikbühne geschaffen wurde. Damals kamen die Themen vor allem in den Gesangsparts zur Sprache, die nebenbei gesagt überaus anspruchsvoll waren, während Regisseur Petr Gazdík sie in verblüffende Bilder und in ausdrucksvolle Aktionen der Solisten wie des Tanzensembles in der originalen Choreografie projizierte. Als ob der Bastard wiederum programmatisch in den modernen Ausdrucksmitteln des perfekt beherrschten Musicalapparats wirken sollte, wurde auch auf Zirkuselemente nicht verzichtet. Die Wortströme in Mošas Texten waren nie nach meinem Geschmack, und schon gar nicht der überspitzte Kampf um die Seele des Bastards zwischen der Hölle und dem Himmel oder hier dem Satan und dem Heiligen Geist, unter dem Beistand von Goethes Gretchen. Aber in der reichen gestischen Vertonung bot das Werk damals wie auch noch heute ein effektvolles rituelles Nachsinnen über die allgemeinsten Dinge des Menschen. In der Titelrolle überzeugte Dušan Vitázek, er hat sie von Jan Apolenář übernommen, der nunmehr als Heiliger Geist brilliert. Die Bettlerin wurde famos von Zora Jandová gesungen, das ausgezeichnete neue Gretchen war ihre Tochter Esther Mertová. Der anschauliche Vergleich zwischen den damaligen Schwerpunkten und den heutigen Möglichkeiten zeigt dabei, dass es damals wie heute um dasselbe Musiktheater ging, in dem die Welt dargestellt wird und die Menschen, die darin leben.
Aus einer sündhaften Zeitlosigkeit
Libor Kalina 23. April 2024 zdroj www.brnozurnal.cz
(…) Das visualisierte Oratorium Bastard (wie es im Programm genannt wird) auf der Musikbühne des Stadttheaters Brno (Premiere am 20. April 2024) ist eine frische Adaption der gleichnamigen Schauspielinszenierung (Stadttheater Brno 1993, 202 Vorstellungen). Die Musical-Feerie, in der man sich als Zuschauer nicht unbedingt gleich zurechtfindet, besteht aus einzelnen, mehr oder weniger unverbundenen musikdramatischen Nummern. Die Hauptfiguren bewegen durch sie die unkomplizierte Handlung vorwärts. Während der Homunkulus, stilisiert in die realistische Form einer künstlichen Intelligenz (bei der Premiere als sehr konsistente Leistung von Ondřej Studénka), einen kritischen Blick auf die einzelnen Verfehlungen des Bastards bietet, erscheint die Figur des Černoděr dagegen überflüssig. Schmutz und Unheil sind allgegenwärtig, sie erscheinen geradezu als Norm – gut, aber noch glaubwürdiger hätte Oldřich Smysl sie verkaufen können, wäre er wenigstens in einem Auftritt als direkter Kumpan des Bastards erschienen und nicht als dessen schattenhafter Vertreter. Gut sorgen für die Steigerung des Dramas dagegen die Satanin, nüchtern glaubwürdig gespielt von Viktória Matušovová, und ihre leichtfüßigen Schatten, die Raffiniertheit der rusalkahaft verlockenden Köder wird noch gesteigert durch die wundervollen Kostüme (Andrea Kučerová). Zu wahren Offenbarungen verwandelte jeden der Auftritte des Heiligen Geistes Jan Apolenář. Mit der nicht gerade leichten Rolle des ätherischen, wiederholt verratenen Gretchens kam die noch nicht zu oft gesehene Esther Mertová gut zurecht. Einer der stärksten Momente der Premiere war sicherlich die Arie von Zora Jandová in der Rolle der Bettlerin. (…) Dušan Vitázek überzeugte in der Hauptrolle durch eine ausgezeichnete Leistung. Das Orchester als untrennbarer Bestandteil der Szene, die an eine gotische Kirchenruine erinnert, war vor allem bei den intimeren Partien herausragend. (…)
Eine visuelle Show zu einem faustischen Thema
Lukáš Dubský 22. April 2024 zdroj www.i-divadlo.cz/blogy
Mehr als dreißig Jahre nach der ursprünglichen Premiere kehrte auf die Bühne des Stadttheaters Brno das Musikstück Bastard der Autoren Stanislav Moša und Zdenek Merta zurück. Es handelt sich um ein in seiner Struktur ungewöhnliches Werk, die Autoren bezeichnen es als visualisiertes Oratorium.
(…) Im Musicalgenre ist eine derart komplizierte Form ungewohnt, Bastard bietet keine Standardhandlung, eher einzelne allegorische Bilder. (…) An erster Stelle ist die Musik von Zdenek Merta zu nennen. Obgleich ich die ursprüngliche Aufführung nicht erlebt habe und kein Fan ihrer Aufzeichnung bin, hat mich Bastard von der musikalischen Seite durch sein unkonventionelles Konzept angesprochen. Das Stück ist sehr wechselhaft, kombiniert Motive der geistlichen Musik mit rockigem Schmiss, hier gibt es sehr starke Motive. Regisseur Petr Gazdík konzipierte die Inszenierung als grandiose visuelle Show, dieser Eindruck wird noch verstärkt durch das Bühnenbild von Petr Hloušek, welches an ein Kirchenschiff erinnert, die farbigen Kostüme und die Zusammenarbeit mit Akrobatinnen, die an Schärpen emporsteigen. Bastard kann auch mit etlichen herausragenden Leistungen der Darsteller aufwarten. Allen voran muss ich Esther Mertová nennen, die in der Rolle des Gretchens wiederum mit präziser Gesangstechnik und einer wunderbar vollen Stimme begeistern konnte, dazu hat sie es wohl am ehesten geschafft, die Beschränkungen des Librettos zu überwinden und ihre Figur menschlich zu gestalten. Auf sehr kleinem Raum (eigentlich handelt es sich nur um einen einzigen Song) brillierte mit ihrem souveränen und gleichzeitig gefühlvollen Gesang Zora Jandová in der Rolle der Bettlerin (in der ursprünglichen Einstudierung spielte sie den Satan).
Zur Figur des Satans wurden seine Schatten hinzugefügt, und die Rolle wurde auf vier Darstellerinnen aufgeteilt (Viktória Matušovová, Ivana Vaňková, Svetlana Janotová und Diana Velčická), deren schauspielerisches wie gesangliches Zusammenspiel ich sehr unterhaltsam fand.
Die Titelrolle muss für Dušan Vitázek körperlich wie emotional anstrengend sein, seine Auftritte ziehen sich durch die ganze Aufführung und sind überwiegend sehr gefühlsgeladen. Schauspielerisch gelingt es ihm, einen arroganten Menschen zu zeichnen, der nach und nach von seinen eigenen Verfehlungen eingeholt wird. (…)
BLOG: Občasník Jaroslava Štěpaníka (Nr. 79)
Jaroslav Štěpaník 22. April 2024 zdroj www.divadelninoviny.cz
(…) Bastard nehme ich als Meisterstück des Autorenduos wahr, mit einer gleichfalls ausgezeichneten Regie von Petr Gazdík unter Mitarbeit des ganzen Teams. Für die Hauptrolle kann man sich aus dem Schauspielensemble wohl keinen geeigneteren Darsteller vorstellen als Dušan Vitázek. Eine tolle Leistung! Esther Mertová war genau das richtige Gretchen, immer wieder enttäuscht, doch noch immer liebend, mit einem zarten, lyrischen, überzeugenden Ausdruck. Den Satan verkörperte in einzigartiger und dramatischer Weise Viktória Matušovová. Die Gesangsduelle mit ihrem ausgezeichneten Pendant Jan Apolenář in der Rolle des Heiligen Geistes waren exzellent und ein wahrer Leckerbissen für das Ohr. Der Homunkulus – ein künstlich erschaffenes Menschlein, aus der Fantasie der Alchemisten erwachsen, hier jedoch ist sein Schöpfer der Bastard selbst. Sehr schön dargestellt wurde der Homunkulus von Ondřej Studénka – in treffender moderner Form als mit künstlicher Intelligenz ausgestatteter Roboter. In der kleineren Rolle der Bettlerin fesselte Zora Jandová durch ihren markanten gesanglichen Ausdruck. Nicht zu übersehen waren in der ganzen Inszenierung die weiteren weiblichen und männlichen Rollen, die in kleineren Gruppen als bedeutendes dramatisches Mittel fungierten, um die Haupthandlungslinie zu unterstreichen oder zu untermalen. Besonders suggestiv wirkten die Auftritte der drei Frauen (Svetlana Janotová, Ivana Vaňková und Diana Velčická), welche als Schatten des Satans dessen Rolle begleiten und potenzieren.
Besondere Würdigung verdient das kleine Orchester, welches sinnvollerweise direkt auf der Bühne platziert wurde und für die nötigen Abstufungen sorgte. In die Handlung klinkten sich diesmal auch vier Akrobatinnen vom Brünner Zirkus LeGrando ein. Anerkennung gebührt Petr Hloušek für das Bühnenbild und die Projektionen, aber auch allen anderen, die für eine effektvolle Begleitung sorgten und die Vorstellung mit den Mitteln des modernen Theaters untermalten, ebenso sind auch die einfallsreichen Kostüme von Andrea Kučerová hervorzuheben.
Eine außergewöhnliche, dynamische, inhaltlich und musikalisch konzise Inszenierung, eher opernhaft, außerhalb des Standards üblicher Musicalaufführungen, die vom Premierenpublikum mit Begeisterung quittiert wurde. Sie wird sicher auch die weiteren Besucher der Musikbühne ansprechen, attraktiv dürfte sich auf jeden Fall für die jüngeren Jahrgänge unter der Theaterfreunden sein.